Kunstlerinnen und Künster im Kiez: Beatrice Bohl

Beatrice Bohl
Foto: Hartmut Ulrich


Dass noch etwas dahinter kommt...

Seit 18 Jahren lebt Béatrice Bohl in Friedenau am Perelsplatz. Der Bezirk erinnere sie an die Schweiz, sagt sie, in der sie geboren und aufgewachsen ist.

1974 verließ sie ihr Land, um dann in Berlin Kunst zu studieren. Seither tut sie „nichts anderes als malen“. Eine Leidenschaft, die sich dem Betrachter schnell mitteilt und wohl Ursache dafür ist, dass der geographische Radius ihrer Ausstellungstätigkeit bereits die nationalen Grenzen sprengte: In Paris, Basel, Mailand, New York, Japan und Australien waren ihre Arbeiten schon zu sehen.

Es sind abstrakte Formen- und Farbgebilde, die Béatrice Bohl auf großformatigen Leinwänden spannungsintensiv kombiniert und deren räumliche Tiefe besonders beeindruckt. Sie braucht nicht zu fürchten, was Goethes alter Faust bejammerte, als ihm der Erdgeist entfleuchte: „Hab ich die Kraft, dich anzuziehn besessen, so hatt‘ ich dich zu halten keine Kraft“. -Denn der Blick des Betrachters bleibt hängen an den Werken und verfängt sich in den Schattierungen, Bewegungen und Strukturen, die dort sprichwörtlich „auf lange Sicht“ angelegt sind. Der Preis, den die Künstlerin dafür zahlt, ist kontemplatives Suchen, stundenlanges Nachdenken und Sitzen vor dem Bild, bis sich irgendwann die Lösung einstellt. Um von Vordergründigkeiten abzurücken, sei ihr wichtig „dass Bilder ein Geheimnis haben“, sagt sie, etwas, „was einem nicht so direkt entgegenspringt.“ Ihre Mitarbeit an einem Forschungsprojekt hat diese Auffassung entscheidend mitgeprägt: Anderthalb Jahre verbrachte sie im peruanischen Urwald in engem Kontakt mit indianischen Ureinwohnern, um deren Kunsthandwerk zu studieren. Geblieben ist die Faszination darüber, dass in dieser Kultur nicht alles „sofort sichtbar und lesbar“ ist, dass noch „etwas dahinter kommt“ was aufgeladen ist mit Geschichten und Bedeutungen.

Auch für Béatrice Bohl sind Bilder eigentlich „Transportmittel“. Oft treten aus der Vielschichtigkeit ihrer organisch-abstrakten Bildhintergründe figürliche Motive heraus, durch die eine Bildaussage vermittelt wird. Diese schließt meist an das Thema Tier und Mensch an: manchmal sind es emblematische Darstellungen z. B. die eines Hirsches, manchmal diffuse, aufgelöste  Gestalten, die beispielsweise als „Fallende Götter“ auf ein zerbröckelndes Patriarchat anspielen. Aber besonders wichtig ist der Künstlerin die räumliche Wirkung ihrer Arbeiten als ästhetische Kategorie. Um diese zu erreichen, vermengt und überlagert sie ihre Lieblingsmaterialien Acryl, Wachs, Lack, Asche oder Sand und ganz besonders Gold. Wie sich zeigte, besitzt gerade Gold die Eigenschaft, die sinnliche Präsenz und Stofflichkeit eines Bildes wirksam zu verstärken. Es fängt immer „wie die russischen Ikonen selbst in der dunkelsten Kirche noch von irgendwoher Licht auf“ und reagiert je nach Beleuchtung mit starken Veränderungen.

Aber auch die Künstlerin selbst verändert und bearbeitet es. Reines Gold, sagt man, oxidiere nicht. Aber mit Hilfe bestimmter Oxidationsemulsionen kann eine Legierung farblich umgestaltet werden. Wenn Béatrice Bohl mit diesen Emulsionen malt, entstehen bräunliche Schatten, die sie u. a. für dreidimensionale Effekte nutzt, optische Täuschungen, die plane Flächen wie zerknüllt wirken lassen. Dabei ergibt sich immer wieder die Schwierigkeit, chemische Lösungsmittel in mehrtägigen Prozessen so einzusetzen, dass das Endergebnis der ursprünglichen künstlerischen Absicht folgt. Ein kompliziertes, transformatorisches Verfahren, das einem alchemistischen Laboratorium zu entstammen scheint.
Sie profitiere hier, meint sie, von Techniken, die sie vom Emaillieren her kennt. Die Beherrschung dessen, was mancher als bloßes „Kunsthandwerk“ abtut, nutzt die Künstlerin, um ihren kreativen Horizont auszuweiten. Denn schließlich könne man „ja keine Kunst schaffen, wenn man das Handwerk nicht beherrscht“, damit man „eben nicht von der technischen Unkenntnis gehemmt wird, sich künstlerische Bereiche zu erschließen“. Inzwischen hat sie auch eigene Verfahren erfunden, die in ihrer Wirkung verblüffende Effekte erzielen, wie z. B. die Methode, Leinwandhintergründe wie dreidimensionalen Knitterstoff aussehen zu lassen. Die hat sie schon oft gehört, die Mutmaßung, sie hätte mit fotografischen Mitteln gearbeitet, aber sie sagt: „Nein! Es ist alles gemalt“. Und es sind Unikate.
Schon anläßlich ihrer Meisterschülerprüfung an der UdK hätten 25 Professoren über eine ihrer Radierungen gerätselt und sich gefragt, wie sie das gemacht hat. Sie glaubten an Fleißarbeit, an monatelanges Kratzen und Schaben. Aber Béatrice Bohl hat ihr Geheimnis nicht verraten. Bis heute nicht.


Tekla Kubitzki

Neueste großformatige Arbeiten und Serien kleinerer Hinterglas-Malereien von Beatricé Bohl werden Anfang Oktober auf der internationalen Kunstmesse 7. „Berliner Liste“ zu sehen sein: Alte „Münze“, Molkenmarkt 2, 10179 Berlin, U-Bhf. Klosterstraße.  Eröffnung: 6.10., 18 Uhr, 7.-9.10., 13-21 Uhr, 10.10., 13-19 Uhr.

Eine Ausstellung findet ebenfalls z. Z. statt im Haus „Neue Wohnkultur“, Berliner Str. 9, Berlin- Zehlendorf

Die Künstlerin ist dauerhaft vertreten durch die Galerie Richter, Kurfürstendamm 188, 10707 Berlin, Tel. 8 83 60 66

Kontakt für einen Atelierbesuch über Béatrice Bohl, 
Tel. 0170/ 2 74 01 80
www.beabohl.de


September 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis