Forever Young: mit Zappa, Hendrix -- und der Stadtteilzeitung

20 Jahre Festivalkultur auf bedrucktem Papier / Foto: Thomas Protz

Rockfan Sigrid Wiegand wird 80

„Nee, ´Wie einst im Mai´ geht gar nicht“, meinte eine Freundin, „passt ja auch für Sigrid nun wirklich nicht.“ Und selbstverständlich begleitete Rockmusik vom Feinsten die Geburtstagsfête unserer Redakteurin Sigrid Wiegand. Schon eher ungewöhnlich, wenn man 80 Jahre alt wird. Aber Ottos kleine Kammermusikeinlage auf der Geige wurde auch sehr gerne akzeptiert. Überhaupt fanden sich viele Freunde aus diversen künstlerisch tätigen Kreisen ein: Mitwirkende der „Berliner Ermittlung“, Literaten der ehemaligen Schreibgruppe „Wackelkontakt“, Malerinnen, Fotografinnen, Musiker - die illustren Gratulanten dokumentierten Sigrids vielfältige Interessen. Wozu, zur Freude ihrer Kolleginnen und Kollegen und natürlich der Leser, auch ihre Arbeit als Redakteurin der Stadtteilzeitung zählt. Seit 2003, sie ist eine der MitbegründerInnen der Zeitung.

„Sigrid pflegt ihre Freundschaften, auch wenn man oft wochenlang nichts von ihr hört. Und - Sigrid lässt sich von allen Frauen, die ich kenne, am wenigsten unterkriegen,“ – so ein weiterer Kommentar einer Freundin.

Stimmt, wir von der Redaktion können das bestätigen. Ihre bereits in der Kindheit berüchtigte große Klappe pflegt sie weiterhin (damit mischt sie uns – äußerst konstruktiv - regelmäßig in den Redaktionssitzungen auf). Und zum großen Vergnügen der Leser der Stadtteilzeitung äußert sie diese auch ungeschminkt und extra mit „Berliner Schnauze“ in schriftlicher Form. Jeden Monat frisch kommentiert Sigrid Wiegand in ihrer Kolumne „Frau Knöttke und das Zeitgeschehen“ ihren Fokus auf die aktuelle Lage der Welt im Allgemeinen und in der Hauptstadt im Besonderen. Auch ihre Artikel über Alltagsbeobachtungen im Kiez haben eine Schärfentiefe, die über den Kritikpunkt keinen Zweifel aufkommen lassen.

Eine Herzensangelegenheit ist ihr die „Südwestpassage Kultur“, der alljährliche Kulturrundgang durch Friedenauer Ateliers mit Lesungen, Konzerten und Performances über die sie jedes Jahr berichtet. Auch ihre Kritiken über Theaterpremieren und Kinofilme zeugen von langjährigem Kulturinteresse und Erfahrung, informieren sachlich, garniert mit einem persönlichen Augenzwinkern.

Der Historie Schönebergs widmete sie zahlreiche Artikel. Schicksale jüdischer Nachbarn hat sie dokumentiert, und akribisch recherchiert beschreibt sie spannend den Alltag im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Über die Anfänge der wirtschaftlichen Entwicklung der Rheinstraße hat sie berichtet, und sie hat uns teilhaben lassen an ihren Kindheitserinnerungen in Friedenau. Hier wurde sie geboren und hier wuchs sie auf, zu Zeiten, als in der Rheinstraße noch eine Straßenbahn fuhr. Kann man sich heute kaum noch vorstellen.

Aber nicht nur ihr Kiez, auch Si-grid Wiegand hält mit den rasanten technischen Entwicklungen Schritt, unterstützt von ihren Enkeln Simon und Bruno, die sie regelmäßig am PC „trainieren“.  

(Ich höre im Geiste schon unsere Politstrategen: Na bitte, es geht doch! Rente ab 85 ist machbar. Mit 80 Jahren geschliffene Artikel schreiben, sich weiterbilden und zu Rockmusik toben – da ist doch noch für die Rentenversicherung `ne Menge Potential drin!).

Ja, die Rockmusik. Man braucht nur "Roskilde"zu sagen, dann blitzen Sigrids Augen, und sie schwärmt von "damals in Roskilde". Jahrzehntelang ist sie zu diesem in dem dänischen Städtchen Roskílde alljährlich stattfindenden mehrtägigen Rockfestival gereist, einem der größten in Europa. Und in diesem Jahr gönnte sie sich zu ihrem 80sten Geburtstag einen Besuch der "Zappanale" in Bad Doberan, ein Highlight für den Frank-Zappa-Fan.

 „Wenn man sich mit einem langweiligen, unglücklichen Leben abfindet, weil man auf seine Mutter, seinen Vater, seinen Priester, irgendeinen Burschen im Fernsehen oder auf irgendeinen anderen Kerl gehört hat, der einem vorschreibt, wie man leben soll, dann hat man es verdient.“ (Frank Zappa)

Liebe Sigrid, du hast es beneidenswert geschafft, nur auf Dich zu hören! Frank Zappa wäre begeistert, so are we!

Für die Redaktion
Rita Maikowski

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Oktober 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis