Glosse

Von 10 auf 30 - die Arnulfstraße in Tempelhof.
Foto: Thomas Protz


Das Wunder von Schöneberg-Tempelhof

Überall sind wir in Eile und hetzen durch die Stadt. Ruhe und Gelassenheit fehlen in unserer hektischen Zeit. Anfang April hatte ich eine neue Form der Entschleunigung entdeckt.

Es war ganz einfach. Mit dem Bus 170 fuhr ich ab Rathaus Steglitz über Schöneberg Richtung Tempelhof. Eine zügige Fahrt durch die Bergstraße und den Prellerweg, kurzer Halt am Südgelände und dann hinter der S-Bahnbrücke geschah es: plötzlich hatte ich das Gefühl, die normale Raum-Zeit-Dimension zu verlassen und das Leben nur noch in Zeitlupe wahrzunehmen. Der Bus verwandelte sich ab der Arnulfstraße in einen trägen Dampfer, der auf dem Straßenmeer kriechend dahin tuckerte.

Das war den Schlaglöchern und dem Bezirksamt zu verdanken. Die Arnulfstraße hatte auf einmal einen hohen Bekanntheitsgrad, war sie doch die erste Hauptverkehrsstraße Berlins, die auf Tempo 10 heruntergestuft worden war. Die meisten Autos hielten sich übrigens nicht an die Tempovorgabe und rasten am Bus vorbei, wodurch dieser noch langsamer wirkte. Aber das ist ja jetzt Vergangenheit. Ein Wunder ist geschehen! Über Nacht sind die Schlaglöcher angeblich verschwunden und seit dem 11. Mai 2010 gilt wieder Tempo 30 in der Arnulfstraße. Alle Gefahrenstellen sind beseitigt, sagt Bezirksstadtrat Schworck. Das ist tatsächlich ein Wunder, weil die Bauarbeiten recht unauffällig vor sich gegangen sein müssen. Auf meine meditativen zehn Minuten im Bus muss ich verzichten, aber ich kann die Strecke ja auch zu Fuß gehen. Auf Tempo 5 komme ich allemal.

Isolde Peter


Juni 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis