„In Bildern lesen“

Bild von Julian Hoffmann

Das Prophetische in der Kunst

Ist es Zufall, dass ich in Julian M. Hoffmann nun schon über den zweiten Künstler berichte, den die Wiederverwendbarkeit gebrauchter Materialien interessiert?

Der Friedenauer Maler und Bildhauer bezeichnet sich selbst als Sammler, und ich kann ihm nicht verübeln, dass er trotz seiner Verbundenheit zum Kiez sein Atelier weiterhin in einer Kreuzberger Fabriketage hat: Bezahlbare 300 Quadratmeter wollen erst einmal gefunden sein, und hat man sie, dann füllen sie sich schnell…

Im vorderen Raum wird gearbeitet. Überraschend aufgeräumt ist es in diesen sicher fünf Meter hohen Räumen, Holzstapel sind geschichtet, rohe Leinwand gefaltet, Pinsel in Bechern, deckenhohe Wandschränke verbergen den Rest. Dazwischen alte Möbel – ein gemütliches Sammelsurium, das jederzeit bereit wäre, in einer Installation mitzumachen. Nebenan ein ebenso großer Raum, in dem kleine bis riesige Gemälde gegen die Wand gestapelt stehen. Der erste Eindruck: wild und farbig. Dazwischen stehen, liegen und hängen hölzerne Masken, sorgfältig gearbeitet (aus alten Türen) und im Unterschied zu den Gemälden durchaus nicht wild: Milde Riesengesichter, die Ruhe ausstrahlen.

„Das sollen sie auch“, meint Julian M. Hoffmann. „Ich brauche dieses Gegengewicht zu meiner malerischen Arbeit. Meine Gemälde erzählen im Grunde von dem, was mich täglich umgibt, von den Fragen, die mich bewegen, von meinen Erlebnissen und Beobachtungen.“
Und wo bleibt da das Prophetische?
„Meiner Meinung nach hat ein Künstler die Aufgabe, nicht nur zu registrieren, was ist, sondern auch darüber hinaus zu blicken, zu ahnen, wohin das Jetzt führen kann, und dies sichtbar zu machen. Aber nicht aufdringlich, nicht von mir verordnet – mehr als Hinweis, in welche Richtung man mal nachdenken könnte.“

Hoffmann arbeitet mit kräftigen Farben, starken Kontrasten und breitem Pinselstrich. Er verwendet Acryl, Zeitungs- und Posterausschnitte, malt Wort- und Ziffernbotschaften, montiert defekte Neonlampenschienen quer über die Leinwand oder buntes Glas (wodurch sich die Sicht auf die Dinge ändert – in welchem Licht erscheint die Wahrheit?). Er gibt sich ganz den Wonnen des Tuns hin – seine Motivation für das Künstlerdasein. Heute wird er von einer Hamburger Galerie vertreten. Aber begonnen hatte er anders.

Hoffmann stammt aus Hamburg, wo er erfolgreich eine Ausbildung zum Raumausstatter absolvierte. In diesem Beruf konnte er seiner Freude an Gestaltung nachgehen und erwarb auch die technischen Fähigkeiten, seinen Vorstellungen exakt die Form zu geben, die ihm vorschwebt. Da die Auftraggeber Wert auf qualitativ hochwertige Ausführung legten, fielen auch interessante Materialreste für den schaffensdurstigen Sammler ab. Lange sammelte und werkelte Hoffmann auf 30 m², bis er die Chance hatte, in einer ehemaligen TÜV-Halle in Hamburg ein Atelier zu mieten. „Ich habe erst nur für mich gearbeitet, nur zum Spaß. Das war und ist auch ein Mittel, Stress abzubauen, den Stress produktiv so umzuwandeln, dass das Ergebnis eben keinen Stress mehr zeigt, sondern einen kreativen Umgang mit den Zwängen und dem Getriebensein des Lebens.“

Dazu gehört sein Blick auf gebrauchte Materialien. Auf Hoffmanns Fensterbank etwa findet sich ein Readymade, sprich: Ein Gegenstand, der allein durch die Präsentation von einem Gebrauchsgegenstand zu Kunst geworden ist. In diesem Fall ein Fahrradsattel ohne Lederbezug: Die Federn und Verbindungsdrähte sehen aus wie ein Fuchskopf! Nur wer einen aufmerksamen, wertschätzenden Blick auf die Dinge wirft, kann so eine Entdeckung machen – und wer dann innehält und dem Gefundenen einen neuen Rahmen – oder in diesem Falle, eine Sockelmontage – gibt, um das Gefundene für alle sichtbar zu machen: Der ist Künstler.

Worauf hätte er denn noch Lust? „Ich fotografiere gern Schuhe“, grinst Hoffmann, „das ist mein Hobby. Und ich würde wirklich gern einmal ein Bühnenbild entwerfen.“ Das wird schon noch!

Wer Zeit und Lust hat, sich auf eine philosophische Reise in die Welt der Kunst zu machen, darf Julian M. Hoffmann in seinem Atelier besuchen. Und wenn man Kindern – womöglich einer ganzen Schul-klasse? – etwas richtig Gutes tun möchte, sollte man auch die mitbringen. Aber bitte vorher anmelden!

Julian M. Hoffmann
Tel. 0151. 55 60 77 92
www.julianmhoffmann.de

Sanna v. Zedlitz


Juli 2010  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis