Kaisereiche mit Rondell 1904. Foto: Archiv Evelyn Weissberg
Denkmalgeschützte Jugendstilfassade wieder hergestellt Am
26. November 2009 hatte Bezirksstadtrat Bernd Krömer zu einem
Pressetermin vor Ort eingeladen: Grund war die abschließende Sanierung
der unter Denkmalschutz stehenden Jugendstilfassade an der Kaisereiche
in Berlin-Friedenau durch das Architekturbüro Christoph Boden mit Prof.
Ute Lehmann. Anwesend waren Vertreter der Denkmalschutzbehörden, das
Team der Architekten, Vertreter der ausführenden Firmen und die
Besitzer des Hauses. Auch ich war mit dabei, denn meine ehemalige
Studienkollegin Ute Lehmann, heute Professorin für Darstellung und
Gestaltung an der Fachhochschule in Potsdam am Fachbereich Architektur,
hatte mich eingeladen...
Das Haus Moselstraße 1-2/Saar-straße 21
an diesem sehr markanten Platz ist einer der schönsten und
außergewöhnlichsten Jugendstilbauten in Friedenau, 1903-04 von dem
Architekten Otto Hausherr erbaut. Er erhebt sich, ebenso wie auch die
anderen Häuser am halbrunden Platz, auf einem keilförmigen Grundstück,
ist davon aber das jüngste. Das Gebiet gehört zu jenem Bereich
Friedenaus, der ab 1871 zuerst besiedelt wurde, und nur ein einziges
Landhaus in der Saarstraße 14 hat sich hier unverändert erhalten: Die
kleine Villa, die Karl Kautsky mit seiner Familie von 1900 bis 1902
einst bewohnte. Die meisten Landhäuser wurden schon vor 1900 zugunsten
des Baus von Mietwohnhäusern abgebrochen. Eine Postkarte von 1900
aus unserer Sammlung zeigt die Ecke Moselstraße / Saarstraße noch mit
der ersten Bebauung von zwei- und dreigeschossigen Wohnhäusern, von
denen eines in der Moselstraße 12 mit wunderschöner
spätklassizistischer Fassade erhalten ist - auch sehr vom „Zahn
der Zeit“ mitgenommen. KSanierte Fassade Moselstraße 1-2. Foto: Thomas Protz
Die
Sanierung der 1300 Quadratmeter Fassade der Moselstraße 1-2, verziert
mit etwa 400 Ornamenten, von denen ein Großteil beschädigt war oder
ganz fehlte, war für die leitenden Architekten eine große
Herausforderung. Ein aus den 70er Jahren stammender Latex-Anstrich, der
die Kalkputzfassade schützen sollte, bewirkte jedoch das Gegenteil: Die
durch die im Lauf der Zeit entstandenen Risse eingedrungene
Feuchtigkeit verursachte Schäden an Stuck und Fassade, alles war in
einem schlimmen Zustand. Die Latexfarbe musste also erst einmal
komplett abgebeizt werden, was allerdings das Ausmaß der Zerstörung
erst richtig zutage förderte. In intensiver Abstimmung mit dem Amt
für Denkmalschutz wurde auf die Wiederherstellung der Ornamente und der
ursprünglichen Farbfassung Wert gelegt. Nach dem Grundsatz „Erhalt
geht vor Neubau“ mussten erst Fensterstürze, Anker, Balkone und Loggien
renoviert, Gesimse und Stuckelemente wiederhergestellt, die
Jugendstil-Ornamente sorgfältig überarbeitet und wenn nötig, neu
geformt werden. Auch die notwendigen Klempnerarbeiten wurden auf
der Grundlage historischer Unterla-gen angefertigt und ausgeführt,
ebenso rekonstruierte man den Glatt- und Spritzputz. Für die Wahl
der Fassadenfarbe probierte Ute Lehmann zahlreiche Testmischungen, bis
man sich, auch nach dem Studium der alten Bauakten und Befunde, auf
eine atmungsaktive Mineralfarbe in Lasurtechnik in drei Farbaufträgen
einigte. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, die Fassade schimmert
je nach Lichteinfall in einem anderen zart-ockerfarbenen Ton, bei
Sonnenlicht wunderschön goldfarben......wie vor 100 Jahren?!
Der
Pressetermin fand in einer zur Zeit leerstehenden 7-Zimmerwohnung des
Hauses statt - wunderschöne Parkettböden, Jugendstil-Schiebetüren etc.
Gegen Ende der Veranstaltung konnte diese besichtigt werden; besonders
hat mich der Blick vom Balkon auf die Kaisereiche beeindruckt, eine
völlig ungewohnte und neue Perspektive!
Vielleicht wird der ein oder andere Hausbesitzer durch dieses Prachtbeispiel ermutigt, sein Haus auch restaurieren zu lassen.... Schöne alte Häuser haben wir ja viele in Friedenau!
Evelyn Weissberg, edition Friedenauer Brücke www.friedenauer-bruecke.de
. Februar 2010 Stadtteilzeitung
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