Foto: www.the-berg.de
Huljodürü am Mont Klamott Ja
wo sind wir hier denn? Letztes Jahr im Oktober hingen plötzlich überall
blauweiße Fahnen. Einkaufszentren wurden zu Bierzelten. Demnächst
werden hier wohl Busfahrer freundlich säuseln und geduldig auf
Nachzügler warten statt sie anzuschnauzen. Heißen in Berlin bald
Schrippen Semmeln und Berliner Pfannkuchen Krapfen? In der Nähe des
Ökowerks im Grunewald befindet sich der höchste Berg Berlins, der
Teufelsberg, im Volksmund „Mont Klamott“ genannt. Ein harmloser Ausflug
dorthin kann Besucher nichtsahnend in eine ungewöhnliche Szenerie
verschlagen: seltsam alpenländische Jauchzer und Töne sind zu hören.
Männer und Frauen spielen Kuhglocken und schlagen Löffel. Anführer
dieser Menschen sind ein Mann in Lederhose und eine Frau im Dirndl.
Nein, wir sind nicht plötzlich in weißblauen Gefilden gelandet. Wir
sind immer noch in Berlin. In der Waldhalle im Ökowerk findet ganz
einfach ein Jodelseminar statt. Josef Ecker, der Mann in der Lederhose,
ist Musiklehrer aus dem Chiemgau. Seit mehreren Jahren lehrt er
auch in Berlin die Kunst des Jodelns. Wie bringt man die Berliner zum
Jodeln? Wie soll das gehen? Schließlich können die meisten nicht einmal
ein rollendes R sprechen und das ist für ein wohlklingendes Huljodürü
doch dringend nötig! Josef Ecker aber versichert glaubwürdig, dass
jeder das Jodeln und das rollende R lernen kann. Es sei eine reine
Übungssache, die Technik könne er jedem beibringen. Er lehrt
schließlich ohnehin mehr als nur das Jodeln. Stimmbildung und
Körperarbeit sind Säulen seiner Seminare und das macht sich bei den
Teilnehmern positiv bemerkbar. Die fühlen sich hinterher viel besser.
Seine Kursteilnehmer kommen aus unterschiedlichen (Bundes-)ländern und
aus unterschiedlichen Bereichen. Häufig sind es Musiker, die etwas
Neues ausprobieren möchten. Nachgefragt
werden Eckers Seminare jedenfalls sehr rege, deshalb hat er ja auch
angefangen, sie außerhalb Bayerns anzubieten. Sehr viele Teilnehmer
kamen von weit her zu ihm ins Chiemgau, warum dann nicht gleich vor Ort
ein Jodelseminar anbieten. Wichtig ist ihm, dass in der Natur geübt
werden kann, nach diesem Kriterium wählt er auch seine Seminarorte aus.
Zwischen den einzelnen Bundesländern und Nationen gibt es gar nicht so
viele Unterschiede, sagt Ecker. Lediglich die Hamburger weisen eine
stärker ausgeprägte Kopfstimme auf und die Amerikaner sind halt
vielleicht etwas lockerer. Die Berliner und Berlinerinnen stellen sich
also nicht ungeschickter oder dümmer beim Jodeln an als andere. Das
Jodeln, der traditionelle Ausruf der Freude in den Bergen, wo die
Senner und Sennerinnen einsam ihre Gämsen hüten und durch das Jodeln
miteinander kommunizieren, haben die Bayern selbstverständlich gar
nicht allein erfunden. Man kennt es auch in anderen Bergregionen und
natürlich sogar in Amerika. Warum also nicht auch Jodeln in Berlin! Es
gibt immerhin Pläne, auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof einen
richtig hohen Berg zu bauen. Ob er jemals Wirklichkeit wird, ist
fraglich, die Senatsverwaltung hat ja leider andere Pläne! Schön sieht
er jedenfalls aus: unser virtueller Berliner Eintausender! Auf der
Seite www.the-berg.de werden alpine Träume wahr.
Vielleicht
sollten Bergliebhaber jedoch eine Nummer kleiner anfangen und erst
einmal jodeln lernen. Im April bietet Josef Ecker sein Jodelseminar
wieder im Grunewald an (www.jodelseminar.net). Also nichts wie hin und
brav das Huljodürü üben. Die Liebe zum Oktoberfest und zur Tracht ist
bei vielen Berlinern vorhanden. Im Tierpark gibt es ein Gämsengehege.
Es wird bestimmt kein Problem sein, die Tiere später in Tempelhof
auszuwildern! Was soll also noch schief gehen, wenn der Berg ruft?
Isolde Peter (Die
Autorin ist gebürtige Bayerin, trägt aber ungern Tracht und jodelt nie.
Einen Eintausender in Tempelhof fände sie trotzdem nicht schlecht.)
. Februar 2010 Stadtteilzeitung
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