Der
Geschichtsparcours Papestraße ist eröffnet
Wer
heute am S-Bahnhof Südkreuz gewohnheitsmäßig in die Fern-bahn wechselt,
dem wird vielleicht in den Sinn kommen, dass man hier während der
langen Umbauphase über endlose Behelfswege von der Ringbahn in die
Stadtbahn umsteigen musste. Noch unerfreulicher ist freilich die
Erinnerung an das Jahr 1980, denn da war der Bahnhof mangels
Verkehrsaufkommens sogar zu. Der S-Bahn-Ring war seit dem Mauerbau in
Ost und West geteilt und unterbrochen. Die meisten wissen noch, dass
dieser Bahnhof vor dem Neubau einmal „Papestraße“ hieß. Aber nur
wenige Reisende außer den Anwohnern werden erinnern, dass die
namengebende Straße noch heute General-Pape-Straße heißt. Und nur
Interessierte werden wissen, dass dieser 1895 verstorbene Generaloberst
der Infanterie der seinerzeitige Oberbefehlshaber in den Marken war
und zudem den Titel Gouverneur von Berlin trug. In diesen
Eigenschaften war er u.a. zuständig für die Gründung und Ansiedlung
der Eisenbahnregimenter 1-3 und für die militärische Nutzung des
großen Geländes im Umkreis dieser Straße. Ein Rätsel bleibt freilich, welche revolutionäre Hand das adelige „von“
aus dem Namensschild entfernt hat, war doch sein voller Name:
Alexander August Wilhelm von Pape.
Die historische Bausubstanz auf dem ehemaligen Militärgelände ist
größtenteils erhalten geblieben, eine gute Basis für die Entscheidung
des Bezirks, hier den „Geschichtsparcours Papestraße“ einzurichten.
Dies sei ein „einfaches und zugleich ungewöhnliches historisches
Informationssystem im Stadtraum“, heißt es in einem Begleittext des
Bezirks zum Geschichtsparcours. Dieser neuartige Parcours an der
General-Pape-Straße bietet auf 14 Stationen den Nutzern die
Möglichkeit, mit Hilfe von schriftlich und bildlich ausgeführten
Hinweisschildern an den jeweiligen Architekturzeugnissen den Spuren der
Geschichte nachzugehen. Dazu gibt es umfangreiches
Begleitmaterial.
Nach Ansicht der Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung, Hella Dunger-Löper, ist dieser Parcours ein
geeignetes Mittel, um sich mit dem Stadtteil auseinander zu setzen. Es
sei dies andererseits aber auch „ein Ort, der einer Entwicklung
bedarf.“ Hinter solchen Sätzen verbirgt sich das Bauvorhaben Stadtumbau
West.
Der Bezirksstadtrat für Schule, Bildung und Kultur, Dieter Hapel,
verriet in seiner Ansprache, er sei „selber mal Kleingärtner“ in der
immer noch bestehenden Kleingartenkolonie auf dem Parcours-Gelände
gewesen und freue sich daher ganz besonders, mit diesem
zukunftsweisenden Projekt allen Anwohnern die Gelegenheit bieten zu
können, die Geschichtsträchtigkeit ihres Wohnumfelds „selbständig zu
erkunden“. Für die Zukunft kündigte er zudem die Organisation von
Führungen an.
Am allermeisten aber freute sich augenscheinlich die Leiterin der
Museen Tempelhof-Schöneberg, Petra Zwaka. Immerhin stammen aus ihrer
Schatzkiste die verwendeten Hinweise zur Nutzungsgeschichte der
Bauten. Diese Quelle war auch Grundlage für die an-schließende Führung
durch den Geschichtsparcours. Mit Christoph Kühn an der Spitze, führten
Schülerinnen und Schüler der Hugo-Gaudig-Oberschule die über
einhundert Teilnehmer der Veranstaltung auf den Parcours, wo sie an
sechs Stationen die Geschichte der Gebäude und Ihrer Nutzung anhand
von selbst in den Archiven aufgespürten Dokumenten beleuchteten.
Der Weg führte zur ehemaligen Kaserne des 3. Eisenbahnregiments, in
dem das Rote Kreuz zwischen 1950 und 1960 ein Flüchtlingslager
unterhielt. In der Nähe das Gebäude, das zu Beginn der NS-Zeit von der
Feldpolizei der SA-Gruppe Berlin-Brandenburg als provisorisches
Gefängnis genutzt wurde. Vorbei an den ehemals geheimen Lagerstätten
der Berliner „Senatsreserve“ zeigten die Jugendlichen die
Exerzierhalle des früheren 2. Eisenbahnregiments. Zum Abschluß gab es
noch einen Blick auf den anderen Exerzierplatz. Inmitten der Kasernen
und Wirtschaftsgebäude gelegen, verwandelte er sich in der Zeit des
Hungers nach dem 2. Weltkrieg in Gartenland. Auf dem alten Zugangsweg
zur Gartenkolonie steht noch heute jener riesenhafte Betonzylinder,
der 1941 als Druckbelastungskörper die Standfestigkeit des Bodens
testen sollte. Hier sollte nach den Plänen von Hitlers
Lieblingsarchitekt Albert Speer nach dem „Endsieg“ ein gigantischer
Triumphbogen von 120m Höhe und 170m Breite entstehen.
Da gedeihe doch lieber der Plan „Geschichtsparcours
Papestraße“.
Ottmar Fischer Bildergalerie von der Eröffnung
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März 2009 Stadtteilzeitung
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