Dr. Ella Barowsky
Klein
und zierlich war sie, die „große liberale Dame Berlins“, wie Ella
Barowsky auch ehrfürchtig genannt wurde. Und Ehrungen wurden ihr in
ihrem vom Kampf für Bürgerrechte, Bildung und Toleranz bestimmten Leben
viele zuteil: 1968 das Bundesverdienstkreuz, 1977 „Stadtälteste“ von
Berlin, 1991 die Fidicin-Medaille, 2003 die Louise-Schroeder-Medaille,
sie war Ehrenvorsitzende der FDP und Ehrenvorsitzende der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, um hier nur einige
der Würdigungen ihres Schaffens zu nennen.
Geboren wurde Ella
Barowsky 1912 in Charlottenburg, in den 30er Jahren studierte sie
Volkswirtschaftslehre und arbeitete nach Abschluss des Studiums bei
einer Wohnungsbaufirma. Ihr dortiger Aufgabenbereich inspirierte sie zu
dem Thema ihrer Doktorarbeit: „Wohnungsbaufinanzierung im New Deal“.
Die in den USA angesiedelte Thematik habe sie absichtlich gewählt,
erzählte sie später, „das war weitab vom Schuss“, und damit sowohl für
sie als auch für die Professoren relativ konfliktfrei. Überhaupt habe
sie alles getan, um sich in der Nazizeit „persönlich nicht zu
bekleckern“.
Aktive Widerständlerin war sie nicht, ihr innerer
Widerstand beschränkte sich in der Außenwirkung auf die Abgabe
ungültiger Wahlstimmen oder auch der Haltung des Kontaktes zu einer
jüdischen Dozentin, die nach England emigrierte. Ella Barowsky setzte
ihre Hoffnungen auf die Nachkriegszeit.
Diese Hoffnungen
sollten sich erfüllen, als Aufbauhelferin der ersten Stunde waren ihre
Fähigkeiten gefragt. Aber nicht nur der intellektuellen Seite der
Neuorganisation widmete sie ihre Kraft und Energie: als Trümmerfrau
leistete sie auch schwere körperliche Arbeit, schleppte Steine und
räumte Schutt.
Am verwaltungstechnischen
Aufbau wirkte sie als Rechnungsdirektorin im Bezirksamt Schöneberg mit,
ihr oblag die Etataufstellung, Etaterwirtschaftung und Kassenaufsicht.
Und bereits Ende Mai 1945 begann dann auch ihre politische Karriere,
wobei sie ihre Schwerpunkte auf die Sozial- und Finanzpolitik legte.
Sie zählt zu den Mitbegründerinnen der LDP Berlin, der Vorläuferpartei
der FDP, gehörte von 1946 bis 1948 der Stadtverordnetenversammlung
Berlins, dann dem Abgeordnetenhaus an, zeitweise als stellvertretende
Vorsitzende der FDP, die sie später zu ihrer Ehrenvorsitzenden ernannte. Von
1951 bis 1955 war sie Bezirksbürgermeisterin von Schöneberg, dann
Finanzstadträtin von Wilmersdorf. In dieser Zeit war sie maßgeblich an
der Umsetzung der Währungsreform und der Einführung der Westmark in den
Westsektoren beteiligt. Später bestimmten Bildung und Berufschancen für
Frauen ihren beruflichen Einsatz, von 1964 bis 1975 war sie Direktorin
des Lette-Vereins.
Neben ihrem beruflichen und parteipolitischen
Engagement setzte sie sich in verschiedenen Institutionen und Vereinen
für das Gemeinwesen ein. Dabei war ihr die christlich-jüdische
Verständigung ein besonderes Anliegen, fast zwei Jahrzehnte gehörte sie
dem Vorstand der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
an, auch hier wurde sie zur Ehrenvorsitzenden ernannt.
Auch
nach Beendigung ihrer beruflichen Laufbahn blieb Ella Barowsky ein
hellwacher, engagierter und kämpferischer Geist. In vielfachen
ehrenamtlichen Tätigkeiten engagierte sie sich weiterhin. Im Alter von
88 Jahren hielt sie die Festrede zum 50jährigen Jubiläum der
Freiheitsglocke, deren Einweihung 1950 hatte sie wegen einer Erkrankung
verpasst. Und 2001, im Zuge des Bankenskandals, gehörte sie zu den
Initiatoren des Volksbegehrens für eine Neuwahl des Abgeordnetenhauses.
Ella Barowsky, „ein Juwel unserer Stadt“, wie Walter Momper
anlässlich ihres 90stes Geburtstages die liberale Demokratin nannte,
starb am 25.September 2007 im Alter von 95 Jahren.
Rita Maikowski Foto: Archiv Museen Tempelhof-Schöneberg .
März 2009 Stadtteilzeitung
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