Frau In-Sun Kim und Frau Henc
Der letzte Weg als Lebensaufgabe
Diese
Begegnung mit Frau Henc und Frau In-Sun Kim war durchweg entspannt und
mit viel Humor versehen. Ein Phänomen, das in Zusammenhang mit der
Profession dieser beiden Frauen einem zu-nächst nicht so ohne Weiteres
in den Sinn kommt. In unserem Kulturkreis wird Pietät und Trauer gerne
als allgemein menschliche Grundhaltung für die vorausgesetzt, die sich
dem Thema Sterben und Tod beruflich stellen. Hier aber haben sich
zwei durchaus lebenslustige Frauen bereit gefunden, der Stadteilzeitung
über ihren ganz speziellen Berufsweg zu berichten. Eine
von ihnen führt das Beerdigungsunternehmen Maric in Friedenau, die
andere führt einen ambulanten Hospiz-Verein. Beide haben sich über die
ähnliche und doch so verschiedene Aufgabenstellung, Sterbende und
bereits Gestorbene auf ihrem letzten Weg zu begleiten, kennen gelernt.
Und sie haben noch eine entscheidend verbindende Gemeinsamkeit: ihre
Migrationserfahrungen als Immigrantinnen. Beide verfügten somit
bereits über ein grundlegendes Verständnis zum Thema Sterben und Tod
ihres jeweiligen Kulturkreises und damit über wichtige
Vorinformationen, sowohl über die Betreuung Sterbender und ihrer
Angehörigen wie über spezifische Rituale und Bedürfnisse bei der
Beisetzung von Immigranten. Frau Henc kam
1988 aus Bosnien zu uns. Sie gehörte dort zur römisch/katholischen
Minderheit. Den bosnischen Krieg in die 90er Jahren erlebte sie aus
sicherer Distanz, war aber mit „dem mitfühlenden Herzen“ bei ihren
leidenden Landsleuten. Beruflich hatte sie zunächst überhaupt
keine Ambitionen als Bestatterin. Wegen ihres Großvaters, der Deutscher
war, hatte sie immer schon gewisse Vorlieben für die Kultur und die
Sprache. So lernte sie diese bereits in der heimatlichen Schule. Nach
ihrer Übersiedlung studierte sie zunächst Germanistik hier in Berlin an
der TU. Von ihrem Ehemann, der als Arbeitsloser intensiv über neue
Betätigungsfelder nachdenken musste, kam die Idee, welche seine Frau
dann letztlich alleine in die Tat umsetzte.
Es wurde, zunächst
mit einfachsten Mitteln, ein Beerdigungsinstitut speziell für
Immigranten aus den Krisengebieten ihrer Heimat ins Leben gerufen.
Dabei lag es auf der Hand; auch im Gastland wurde gestorben. Und wer
von den Kriegsflüchtlingen hatte nicht den Wunsch, am Ende seines
Lebens in der Heimat und möglichst begleitet von seinesgleichen
bestattet zu werden?
Von Vorteil waren von vorn herein die
vorhandenen Ortskenntnisse, soziale und psychologische Kompetenz,
menschliches Einfühlungsvermögen, Vorurteilslosigkeit gegenüber anderen
ethnischen Gruppen und natürlich die Sprachkenntnisse. Über solch gute
Einstiegschancen entwickelte sich dann auch schnell Vertrauen zu den
Angehörigen verstorbener Immigranten. Das Bestattungsinstitut, welches
den speziellen Bedürfnissen seiner Kunden entgegen kam, war schnell in
aller Munde. Heute ist das Bestattungsinstitut Maric
(der Mädchennahme von Fr. Henc) eine Institution in der Friedenauer
Hauptstraße und wird nicht nur von Immigranten sondern
selbstverständlich auch von Berlinern in Anspruch genommen. Frau In-Sun Kim ist
eine von den Spätberufenen. Sie stellt ihre Kraft in den Dienst am
Menschen, die vor ihrem un-mittelbar letzten Lebensweg stehen. Früher
war sie als Krankenschwester nach Deutschland gerufen worden, hat nach
langjähriger Praxis noch einmal einen Neubeginn gewagt und ein
evangelisches Theologiestudium begonnen. Diese Verbindung ihrer
früheren Berufserfahrung mit der eines Studiums und auch das Vorwissen
um eine konfuzianisch geprägte Kultur in ihrer Heimat war prägend für
ihre Schritte in Richtung ihres jetzigen Engagements.
Um
konsequent einzusteigen, hat die Koreanerin ihre Lebensversicherung
gekündigt, EU-Gelder akquiriert und den interkulturellen Hospiz-Verein
„Dong Heng e.V.“ gegründet. „Dong Heng“ bedeutet „Mitgehen“. Dort
bildet sie Helferinnen aus, die Menschen unterschiedlicher Kulturen auf
ihrem letzten Weg begleiten. Auch hier war ihre psycho-soziale
Vorbildung ein entscheidendes Kriterium, da es sich bei den
Hilfebedürftigen in erster Linie um Immigranten aus den Ostasiatischen
Ländern handelt. Gerade die unterschiedlichen Krankheitsauffassungen,
andere Todes- und Jenseitsvorstellungen und nicht zuletzt die
Sprachschwierigkeiten führen im Pflegealltag hier zu großem
Vermittlungsbedarf. Bernd J. Gerdes. .
März 2009 Stadtteilzeitung
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