Jetzt auch ohne Bänke
Nachdem das Amt für Umwelt, Natur und
Tiefbau im vergangen Frühling die Friedenauer Bürger richtig verärgert
hat, indem es mit „optimierenden Pflegemaßnamen“ eine 60 Jahre alte
gesunde Hecke radikal entfernte, bewies es jetzt erneut „bürgerfreundliches
Feingefühl“. Kurzerhand wurden dort auch die Bänke abgebaut, „damit
sich kiffende Jugendliche nicht hinsetzen können“.
Dabei macht man sich im Rathaus momentan so richtig Gedanken, wie sich der
Bezirk in den nächsten 20 Jahren auf die älter werdende Bevölkerung
einstellen könnte. Es kann daher nicht unbeachtet bleiben, dass die
Entfernung der Bänke einen wichtigen Beitrag zur Regulierung des
demoskopischen Faktors leistet. Senioren, die grün- und
entspannungssüchtig auf dem Platz notgedrungen ohne Sitzgelegenheit
herumstehen, fallen irgendwann einfach um. Oder sie bleiben gleich zu
Hause, verschwinden aus dem Alltagsbild des Kiezes und stören auch nicht
weiter. Ist dies möglicherweise eine erste vorbeugende zukunftsweisende
Aktion gegen die Niederlassung älterer Bürger?
Immerhin, die Protestaktion von 200
Anwohnern zeigte Wirkung. Auf Anfrage teilt das Amt telefonisch mit, die
Bänke werden auf Wunsch der Anwohner wieder aufgestellt. Dies könne aber
dauern, zunächst muss erst mal eine Ausschreibung stattfinden.
Bis dahin sollte, wer in Friedenau ohne
Rollstuhl und Rollator unterwegs ist, neben den Einkaufstaschen auch immer
einen Klappstuhl mitführen. Das kann allerdings Begehrlichkeiten bei
klappstuhllosen Mitbürgern auslösen. Aber der sich entwickelnde Streit
um Teilhabe an der mitgebrachten Sitzgelegenheit folgt dem angesagten
Linkstrend und fördert die Kommunikation auf der Ebene der Streitkultur -
für Seminare dieser Art zahlt man normalerweise horrendes Geld.
Die jugendlichen Kiffer haben da weniger
Probleme. Sie sitzen einfach friedlich auf dem Rasen… Also, wir sehen
das nur positiv. Wenn Sie, liebe Leser, anderer Meinung sein sollten,
freuen wir uns über Ihre Zuschriften.
Renate Birkenstock,
Rita Maikowski
Die Redaktion vor Ort
Die mobile Einsatztruppe der Redaktion geht im Kiez auf die Pirsch: am
Cosimaplatz sollen die Bänke weg sein, wieso das denn? Muss man sich
jetzt einen Klappstuhl mitbringen, wenn man sich beim Blick ins Grüne
ausruhen will? Und auf dem Fehrbelliner Platz soll es einen sog.
"Seniorenspielplatz" geben, das ist ja ein dolles Ding! Gab's da
neulich nicht was im Spiegel-TV über die unverschämten Rentner, die nun
auch noch Spielplätze haben wollen? So geht's ja nun auch nicht, das
sehen wir uns mal an!
Auf dem Platz schönste Frühlingssonne, die Rasenflächen noch leer, wo
soll denn hier... Da tatsächlich! In einer Ecke bewegt sich was. Junge
Leute hängen an Stangen, trampeln auf beweglichen Stufen, trainieren die
Armmuskeln an drehbaren Scheiben, hampeln an Geräten vom Feinsten herum.
Am Wochenende sei hier mehr los, erzählt eine Frau, sie käme jeden Tag
her, besser könne man es ja gar nicht haben. Recht hat sie, so edle
Geräte haben wir noch nie gesehen, alles aus Edelstahl. Wo die wohl
herkommen? "Playfit" steht auf einer Tafel, wohl eine Neuauflage
der guten alten Trimm-dich-Bewegung mit besseren Mitteln? Von Rentnern
keine Spur - also was jetzt, da wollte wohl wiedermal jemand stänkern!
Das müssen wir erst einmal genauer recherchieren, man kann die Augen ja
nicht genug offen halten! Darüber und vielleicht noch anderes aus dem
Kiez berichtet die „Einsatztruppe“ das nächstemal!
Sigrid Wiegand
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Juni 2008 Stadtteilzeitung
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