Ein Nachruf vom Theater der Erfahrungen für Lea Kübke

Lea Kübke

Am 18. April 2008, mit 83 Jahren, starb Lea Kübke. Geboren in Doberlug-Kirchhain, nach dem Krieg umgezogen nach Berlin, wohnte sie an die 50 Jahre in der Lindenhof-Siedlung. Sie leitete in den fünziger Jahren eine Knopffabrik und kehrte dann in ihren ursprünglichen Beruf als Finanzbuchhalterin zurück. Sie war über zwanzig Jahre lang ein lebendiger Teil von Theater der Erfahrungen, engagiertes Mitglied der Gruppe Spätzünder und wunderbare Spielerin in über 500 Aufführungen des Senioren-Theater-Projekts im Nachbarschaftsheim Schöneberg. Als alter Elefant, eine ihrer schönsten Figuren, stand sie im "Gnadenbrot. Eine viehische Komödie" 70 mal auf der Bühne.

Sagt der Kranich zum Elefanten:
Sie sind ja ein echtes Unikat. Sie wissen alles, aber nichts für ungut, wir beide verändern die Welt nicht mehr.
Antwortet der Elefant:
Sie vielleicht nicht, aber ich habe noch viel vor!

Die Fabel "Gnadenbrot" war ein Versuch, sich dem Thema Tod auf humorvolle wie nachdenkliche Weise zu nähern. Ein alter Kranich weiß, dass seine letzte Stunde gekommen ist und macht sich auf nach Berlin, um nicht allein und in der Dunkelheit zu sterben. Auf seinem Streifzug durch die Stadt lernt er diverse andere alte Tiere kennen, vergisst ganz allmählich seine ursprünglichen Absichten und findet viele neue Freunde. Derzeit bekommen die Sätze und Dialoge aus dem Stück einen ganz anderen, manchmal sehr traurigen Klang. Aber sie machen auch deutlich, wie viel Persönliches in den verschiedenen Figuren steckt. Lea hat die Rolle des alten Elefanten voller Überzeugung mit wunderbarem Augenzwinkern entwickelt sowie dargestellt und dieser Satz von den vielen Vorhaben fängt eine Menge von ihrer aktiven Lebenshaltung ein. Sie war immer voller Pläne und Tatendrang, bestens organisiert und bereit, auch unorthodoxe Projekte mit in Gang zu bringen.

Strophe des Elefanten im Schlußlied:
Auch mit klapprig alten Gliedern
Kannste dich noch mal verbrüdern, in Berlin, in Berlin, in Berlin

Klapprig war Lea bis zum Ende nicht, doch verbrüdert hat sie sich mit dem Theater der Erfahrungen. Aber wir fangen vorne an. Lea wurde vor über 20 Jahren von ihrer Nachbarin zu den Spätzündern mitgeschleppt. Damals gehörte sie zum Nachwuchs, sie brachte frischen Wind, enorme Spielfreude und jede Menge Auseinandersetzungsbereitschaft mit. Bis dahin war ein Gründungsmitglied mit eher diplomatischem Strippenzug am Werke, doch Lea als Frischling bot den alten Häsinnnen der Gruppe mit deutlichem "Das ist meine Meinung!" Paroli.

Nachdem Lea sich fürs Theater der Erfahrungen entschieden hatte, war sie auf sehr vielen Hochzeiten dabei, in sämtlichen Spätzünder-Produktionen, bei Rheumas Töchtern, im Dokumentar-Film "Aber wir doch nicht", in den generationsübergreifenden Projekten an den Berliner Schulen, bei allen Landpartien vom Theater der Erfahrungen und nicht zuletzt bei Gründung und Aufbau des Fördervereins. Sie verwaltete die Spielerkasse und engagierte sich in der Fundraising-Gruppe, sie organisierte das Theater-Benefiz-Fest mit und tanzte auf den runden Geburtstagen der Gruppe, sie diskutierte bei den diversen Festivals, zuletzt im Saalbau Neukölln, und hielt engen Kontakt zum Nachbarschaftsheim Schöneberg. Sie hat die Gründer- und Aufbauzeit des Theaters mit stetiger Kraft und enormer Energie maßgeblich mitgestaltet.

Elefant: Und ich übernehme die Schirmherrschaft

Im Laufe der letzten fünf Jahre wurde Lea immer mehr zur ‚grande dame' des gesamten Ensembles. Sie hat das nicht un-bedingt angestrebt, es entwickelte sich einfach in diese Richtung. Sie hatte so viele Erfahrungen mit dem Theater der Erfahrungen gemacht, und die wurden gern, auch von der Presse, nachgefragt. Sie strahlte eine positive Routine und Gelassenheit rund um die Aufführungspraxis aus, die auf ihre Kolleginnen und Kollegen abfärbte und sie besaß einen wunderbaren grundsätzlichen Hang zum Genießen, sei es beim Spielen auf der Bühne, bei den leckeren Essensrunden der Spätzünder oder beim Glas Wein auf der Tournee. Dieses immer ‚Vollpräsent-Sein' war ihr Markenzeichen, dabei durchdacht und gewissenhaft.

Noch ein Zitat von Lea aus dem Dokumentarfilm der Spätzünder "Aber wir doch nicht - 10 Frauen und ihre Vergangenheit".

„Heute in meinem Alter bin ich kämpferischer veranlagt als in meiner Jugend. Und das finde ich eigentlich nicht schlecht, aber auf der anderen Seite, ist es zu spät? Ich weiß es nicht.“

Bei Lea war es sicher nicht zu spät - sie hat sehr viel bewegt, allein in unserem Mikrokosmos Theater der Erfahrungen, und sie wird uns sehr fehlen.

Eva Bittner, Johanna Kaiser, das Ensemble des Theater der Erfahrungen und alle MitarbeiterInnen

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Juni 2008  StadtteilzeitungInhaltsverzeichnis