Gedenken an Lina, Alfred und Harry Fendler, Betty Cohn, Max Löwy, Gertrud und Helmut Marchand | ||||
Stolperstein-Einweihung in der Crellestraße "Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten." Mit diesem so treffenden Zitat von Walter Benjamin, der selbst in Schöneberg gelebt hatte, begann am 6. Juni 2008 die Lesung zur Gedenkstunde an die sieben jüdischen Bewohner/innen aus der Crellestraße, die zwischen 1941 und 1943 deportiert und ermordet wurden. In den Räumen des Familienprojekts FAB e.V. hatten sich über 50 Zuhörende, viele Nachbarn, Baustadtrat Bernd Krömer als Vertreter der Politik und zahlreiche Menschen, die sich gegen das Vergessen engagieren, versammelt. Drei Schülerinnen der Sophie-Scholl-Oberschule, Kendra, Lina und Viola, die schon länger mit dem Schicksal von Verfolgten der NS-Zeit befasst sind, zeichneten in ihrem Vortrag das Leben der in den 1930er Jahren hier im Kiez ansässigen kleinen Handwerker und Arbeiter nach. Was konnte man in der Bahnstraße, wie die Crellestraße bis 1958 noch hieß, erleben, wissen, wie haben wohl die jüdischen Nachbarn die Zeit zunehmenden Misstrauens und wachsender Angst, Schmerz und Leid ertragen? Welchen Angriffen, Diffamierungen und Entrechtungen waren sie ausgesetzt? Die Menschen, die hier gelebt hatten, waren keine berühmten Persönlichkeiten; deshalb waren kaum persönliche Daten über sie zu finden. Durch die Schilderung des Alltagslebens und der parallelen politischen Geschehnisse in diesen Jahren wurde aber eine die Zuhörer/innen sehr bewegende Annäherung an die damalige Lebenssituation geschaffen. Anhand von Aufzeichnungen der Zeitzeugen Vera Reichert und Alfred Davidsohn, die damals in der Bahnstraße lebten, hat Marianne Geist, ehrenamtlich Tätige im Schöneberger Kulturarbeitskreis, Geschichte rekonstruiert, die Texte erstellt und Regie geführt. In dem Gedenkrundgang waren die jüdischen Bewohner/innen zuvor mit Vorträgen und der Einweihung der Stolpersteine vor ihren letzten Wohnstätten geehrt worden. Gertrud und Helmut Marchand aus der Crellestraße 6, vermutlich Mutter und Sohn, sind 1941, als die Massendeportationen aus Berlin begannen, nach Lodz deportiert worden. Gertrud Marchand wurde ein Jahr später ermordet, Helmut, damals 17 Jahre, gilt als verschollen. Gegenüber, im Haus Nr. 46, hatten Betty Cohn und Max Löwy gelebt. Herr Löwy, im Alter von 64 Jahren nach Riga deportiert, war Veteran des 1. Weltkriegs und bezog eine kleine Invalidenrente. Er und die gleichaltrige Betty Cohn gelten als verschollen. Im Haus Nr. 42 wurde Lina Fendler mit 45 Jahren nach Riga deportiert und vier Tage später ermordet. Ihre - vermutlichen - Söhne Alfred und Harry Fendler wurden sechs Monate später nach Auschwitz verschleppt und dort, im Alter von 17 und 19 Jahren, ermordet. Die Gedenkstunde schloss mit den Worten: "Gertrud und Helmut Marchand, Alfred, Harry und Lina Fendler, Betty Cohn und Max Löwy, sie alle haben die Etappen des Vernichtungsprozesses, Ausgrenzung und soziale Isolation, Terror mit Gesetzen und Verordnungen, ein Leben mit heute unvorstellbaren Einschränkungen, dann die Ve-schleppung, Deportation und Ermordung durchlitten. Die Spuren ihres Lebens sind verschwunden. Indem wir aber heute ihrer gedenken, sind sie nicht mehr Namenlose." Nur durch intensive Recherchearbeit bei
Behörden und in Archiven über fast eineinhalb Jahre war es dem Initiator
dieser Stolpersteinverlegung, dem Anwohner Brian Smith, gelungen,
überhaupt einige Angaben, wie Geburtsdatum oder Berufe der Deportierten
herauszufinden, die dann Rückschlüsse, z.B. auf familiäre Verbindungen
zuließen. Brian, der aus Kalifornien nach Berlin kam, war von dieser Form
des alltagsnahen Gedenkens durch Stolpersteine so angesprochen, dass er
selbst aktiv wurde. Seine Danksagung galt vor allem der Unterstützung
durch Frau Veronika Liebau von den Museen Tempelhof-Schöneberg und der
Berliner Geschichtswerkstatt. Um noch einmal die Worte von Marianne Geist
aufzunehmen: Manche möchten lieber von Anstoßsteinen sprechen, ein
Anstoß im doppelten Wortsinn: Man kann Anstoß an den Modalitäten ihrer
Verlegung nehmen. Die Steine geben aber auch Anstoß für das
Zusammenleben und -wirken in der Nachbarschaft. Dass die Patenschaft für einen Stolperstein mit dessen Verlegung endet, sollte nicht bedeuten, dass das Gedenken aufhört. Gegen das Vergessen gibt es Möglichkeiten: Beispielsweise zu einem gegebenen Anlass eine Rose niederlegen? Elke Weisgerber Ein Stolperstein ist ein mit einer Messingplatte versehener Pflasterstein, der die Namen der verfolgten und ermordeten Menschen trägt und in den Gehweg vor ihren letzten Wohnstätten eingelassen wird. Bis heute wurden deutschlandweit über 4.000 dieser Mahnmale gesetzt. Über 1.600 Steine sind es mittlerweile in Berlin. Kontaktadressen: Kulturarbeitskreis Schöneberg Berliner Geschichtswerkstatt e.V. Termine: Die nächsten Stolpersteine werden am Di
08.07.2008, 10 Uhr . |
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