Die Redaktion der Stadtteilzeitung vor Ort

Was bieten Grünanlagen älteren Einwohnern?

26 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland ist bereits jetzt über 60 Jahre alt. Ihr Anteil wird in den nächsten 20-30 Jahren in allen Industrienationen in einem bisher nie da gewesenen Maße ansteigen. In vielen Ländern bietet man inzwischen der älter werdenden Bevölkerung u. a. auch attraktive altersgerechte Grünanlagen an.

Sind die Deutschen „altenfeindlich“?
Hierzulande tut man sich damit noch schwer. Nachdem sich die Deutschen lange Zeit selbst als "kinderfeindlich" eingestuft haben, ist jetzt die Frage erlaubt, ob wir auch "altenfeindlich" sind.
Nur 18 von 100 Einwohnern über 65 Jahren nutzen regelmäßig die Grünanlagen zur Erholung - bei den unter 18-jährigen sind es 41%.
Dass sich auch ältere Menschen in Parks erholen möchten und dazu auch ein Recht haben, regt eher zu Spott an. So war die Installation des ersten "Seniorenspielplatzes 67+" letztes Jahr auf dem in Kassel veranstalteten Kunstfestival "Bürgerstolz und Stadtfrieden" ein satirischer Protest gegen die "Übermacht der Alten". Rollstühle und Rollatoren wurden an Karussells gehängt oder auf Wippen montiert. Aber die als Häme gemeinte Anlage wurde zu einer beliebten Begegnungsstätte für Jung und Alt.

Auch die großen Wohnungsbaugenossenschaften haben offenbar die Erwachsenen bei der Gestaltung ihrer Grünanlagen ein wenig aus dem Blickfeld verloren. Kinderspielplätze sind überall selbstverständlicher Standard - aber ein lauschiges ruhiges Plätzchen für nachbarschaftliche Gespräche unter Erwachsenen sucht man oft vergeblich. Wer nicht gerade seine Enkel zum Buddelkasten begleitet, fühlt sich als älterer Mensch hier schnell fehl am Platze.

Erster Berliner Erwachsenenspielplatz
In Berlin gibt es seit 2007 im Preussenpark am Fehrbelliner Platz den ersten und einzigen "Spielplatz für Erwachsene", der allerdings nicht vom Bezirksamt, sondern von Firmen und Privatpersonen initiiert und finanziert wurde. Lediglich für die Unterhaltung muss der Bezirk aufkommen. Die Redaktion der Stadtteilzeitung war an einem schönen Vormittag im Mai vor Ort.

Wir treffen einige Senioren, die begeistert sind von den Geräten, mit denen man spielerisch fit werden soll durch sanfte Bewegungen und Massage. Die Mehrzahl der Nutzer an diesem Vormittag ist jedoch deutlich unter vierzig. Auch Eltern mit ihren Kindern sind hier an den Geräten - die "Spielplatzordnung" schreibt vor, dass Kinder nur in Begleitung Erwachsener trainieren dürfen.

Die erste gemeinsame Übung der Redaktionsmannschaft beginnt mit Rumpfbeugen, denn die Anleitungen für die Spielgeräte sind so angebracht, dass man sich erst mal bücken muss, um sie zu lesen. Aber wir haben alle Spaß und bedauern sehr, dass wir in unserem Wohnumfeld entsprechende Angebote vergeblich suchen werden. Vorerst sind in Berlin keine weiteren derartigen Anlagen geplant.

Andere Städte sind Vorreiter mit Grünanlagen auch für Ältere
Andere Städte und Gemeinden haben die Zeichen der Zeit erkannt. So will zum Beispiel Nürnberg mit "Sport- Bewegungs- und Freizeitanlagen für Ältere" ein ganz neues städtisches Konzept bieten und die Anziehungskraft von Parks erhöhen. Dort existiert bereits eine lange Liste von Grünanlagen, in denen man u. a. verstärkt Bank-Tisch-Kombinationen aufstellen will, die zum Verweilen, Schachspielen und Kartenspielen einladen, ebenso sind Bocciabahnen und altersgerechte Trainingsgeräte im Gespräch.

Senioren lieben Ruhe
Man wünscht sich, dass alte und junge Menschen sozusagen über die Geräte ins Gespräch und in Kontakt kommen. Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass Senioren nun mal andere Bedürfnisse haben als Kinder. Eine Umfrage ergab, dass Senioren einen vom Kinderspielplatz räumlich getrennten Aktionsplatz bevorzugen - auch Ruhe, Toilettenanlagen und eine gärtnerisch gestaltete Umgebung sind ihnen wichtig.

Tja, die oben genannte Frage bleibe ich heute schuldig. Aber ich werde "am Ball bleiben" und recherchieren, ob Tempelhof-Schöneberg im Rahmen seiner groß angelegten Studie zur demografischen Entwicklung auch neue Parkkonzepte für seinen wachsenden Bevölkerungsanteil 60+ plant. Über Ihre Meinung, liebe Leserinnen und Leser, freuen wir uns - wie immer.

Ach so - fast hätte ich es vergessen. Der Protest wegen der entfernten Bänke auf dem Cosimaplatz (siehe Juni-Ausgabe) hat gelohnt. Die Bänke sollen nun schnellstmöglich wieder aufgestellt werden.

Renate Birkenstock

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Juli 2008  Stadtteilzeitung