Ehrenamtliche Arbeit aus der Sicht der BVV
Vor 5 Jahren ist diese Zeitung mit dem
Anspruch erschienen, sich auf das Zusammenleben der Menschen im Stadtteil
zu konzentrieren und über bürgerschaftliches Engagement zu berichten.
Inzwischen haben wir Ihnen, liebe Leser, viele Menschen vorgestellt, die
sich ehrenamtlich engagieren und Sie damit über vielfältige
Möglichkeiten der ehrenamtlichen Arbeit informiert.
Die meisten Anregungen dazu erhielten wir
vom Nachbarschaftsheim Schöneberg, dem Herausgeber dieser Zeitung. Aber
auch andere Vereine und Organisationen kamen zu Wort - vom einmaligen
Aufruf zum Eintüten der Minimiermotte bis hin zu anspruchsvollen
Aufgaben.
Erfreulicherweise haben unsere Artikel Sie
auch immer wieder veranlasst, sich selbst für eine ehrenamtliche
Tätigkeit zu interessieren. Wer bereit ist, Verantwortung übernehmen und
aktiv wird, zunächst für sich selbst, macht einen großen Schritt. Wer
dann auch bereit ist, anderen zu helfen, tut auch etwas für sich, für
die eigene Lebensqualität, für das eigene Selbstbewusstsein. Das haben
unsere zahlreichen ehrenamtlichen Interviewpartner immer wieder
bestätigt.
Aber auch für die Menschen, die sich
ehrenamtlich engagieren, könnte noch viel mehr getan werden. Oft müssen
sie die Auslagen für ihre Arbeit aus eigener Tasche bezahlen. Das trifft
besonders diejenigen, die Steuervorteile nicht nutzen können. Wir haben
alle in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg
vertretenen Parteien befragt, welchen Stellenwert das Ehrenamt in ihrer
politischen Arbeit hat und wie sie ehrenamtlich Arbeitende künftig besser
unterstützen wollen. Hier die Antworten:
Welcher Stellenwert hat aus Sicht Ihrer
Partei bürgerschaftliches Engagement im Bezirk?
Elke Ahlhoff - SPD:
Bürgerschaftliches Engagement bildet einen Grundpfeiler unserer
Demokratie. Es ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, sich direkt an
der Gestaltung ihrer Umwelt und ihrer Lebensbedingungen zu beteiligen. In
vielen gesellschaftlichen Bereichen verbessert ehrenamtliches Engagement
die Lebensqualität von Menschen und ihrer natürlichen Umwelt. Wir treten
daher für eine stärkere Anerkennung und Förderung bürgerschaftlichen
Engagements ein.
Christian Zander - CDU:
Bürgerschaftliches Engagement ist die entscheidende Voraussetzung für
eine funktionstüchtige Demokratie und ist auf kommunaler Ebene bereits an
vielen Stellen erfolgreich. Als CDU setzen wir auf den freien Bürger, der
sich und seine Vorstellungen in die Gesellschaft einbringt, staatliche
Leistungen können Engagement für das Gemeinwesen nur mangelhaft
ersetzen.
Jörn Oltmann - Bündnis 90/ DIE GRÜNEN:
Die gesamte Infrastruktur würde zusammenbrechen, ohne die Bereitschaft
von so vielen Menschen, sich zu engagieren, ohne hierfür eine konkrete
Gegenleistung zu erwarten. Es waren die sozialen Bewegungen Ende der 70er
Jahre im Westen und die Bürgerbewegungen im Osten, die gesellschaftliche
Umbrüche bewirkt haben und die tragenden Wände des Grünen Hauses
ausmachen. Nicht nur aus diesem Grund fühlen wir uns mit den vielen
ehrenamtlich Aktiven in Vereinen, Verbänden, Kirchen und Initiativen
verbunden. Ohne diese Verbindung und Wertschätzung des
bürgerschaftlichen Engagements sind die Grünen nicht denkbar.
Monika Schuch - FDP:
Sich unseren Bezirk ohne bürgerschaftliches Engagement vorzustellen, geht
gar nicht. Schon heute wird in weiten Teilen unsere gesellschaftliche und
soziale Struktur von bürgerschaftlichem Engagement getragen. Staatliche
Daseinsvorsorge konzentriert sich heute zunehmend auf Grundbedürfnisse,
die sozialen Sicherungssysteme können die Notwendigkeiten unserer durch
Individualisierung geprägte Gesellschaft schon lange nicht mehr decken.
Deshalb ist es für den Bezirk wichtig, den Ehrenamtlichen eine
Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, in der sich bürgerschaftliches
Engagement entfalten kann.
In dem 2007 erlassenen "Gesetz zur
weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements" geht es um
Steuererleichterungen. Davon können aber gerade Menschen mit kleinem
Einkommen keinen Gebrauch machen. Sie müssen alle Ausgaben (Fahrgeld,
Telefon, Druckkosten, Papier, Porto - oder was immer anfällt) selbst
finanzieren. Gibt es aus Ihrer Partei Vorschläge/Anträge, als
Anerkennung für ehrenamtliche Arbeit gewisse Vorteile anzubieten, um hier
einen Ausgleich zu schaffen, ggf. was?
Elke Ahlhoff - SPD:
Seit 2002 ehrt der Bezirksbürgermeister Ekkehard Band jährlich
Ehrenamtliche mit der bezirklichen Verdienstmedaille und Förderpreisen
für ihr Engagement. Die SPD lädt ehrenamtliche Aktive und Vereine jedes
Jahr zu ihrem Neujahrsempfang ein. Vor allem steht aber die aktive
Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit im Vordergrund, so die
Einrichtung eines Büros für die "Seniors in Schools" im
Rathaus Friedenau oder die Fortbildung der Mitglieder der
Sozialkommissionen.
Christian Zander - CDU:
Die CDU hat in ihrem Bezirksprogramm 2006 dem Ehrenamt einen eigenen
Bereich gewidmet. Wir könnten uns für Inhaber von Ehrenämtern gezielte
Vergünstigungen in öffentlichen Einrichtungen vorstellen. Dies kann in
Museen genauso wie in Schwimmbädern oder mit einer vergünstigten BVG -
Karte erfolgen. Hierfür ist ein bezirklicher Ehrenamtsausweis und die
Finanzierung durch den Senat nötig.
Jörn Oltmann - Bündnis 90/ DIE GRÜNEN:
Die grüne Bundestagsfraktion hatte im Juli 2007 einen
Entschließungsantrag eingebracht, der darauf abzielte, dass das
bürgerschaftliche Engagement umfassender als bisher und nachhaltig
gefördert wird. Der Antrag sah u. a. vor, dass die Bundesregierung eine
Strategie zur Verbesserung des bürgerschaftlichen Engagements entwickelt
und einen Beitrag zur Schaffung einer Anerkennungskultur leistet. Der
Antrag enthält eine lange Reihe von konkreten Einzelvorschlägen.
Monika Schuch - FDP:
Die öffentliche Hand muss mit Schwimm-, Sporthallen und -plätzen,
Veranstaltungsräumen und ähnlichem eine Infrastruktur zur Verfügung
stellen, die es den ehrenamtlich Tätigen auch ermöglicht, ihre
Arbeitskraft kostenfrei für das Gemeinwesen zur Verfügung zu stellen.
Vorschläge, einen Ausgleich für die finanzielle Belastung durch die
Ausübung eines Ehrenamts zu schaffen, sind nachvollziehbar und
unterstützenswert. Die Bezirksverordnetenversammlung stellt jedes Jahr
etwa 50.000 Euro an Sondermitteln für ehrenamtliches Engagement zur
Verfügung. Gefordert ist hier aber auch die Wirtschaft durch Sponsoring
von Projekten und Initiativen und durch Förderung ihrer Mitarbeiter, die
freiwillige Arbeit leisten.
Gibt es Anträge/ Vorschläge, mehr
Menschen - auch junge Menschen - für ein bürgerschaftliches Engagement
zu gewinnen?
Elke Ahlhoff - SPD:
Die SPD unterstützt aktiv Vereine, wie bspw. "Friedenau
integrativ". Dieser Verein hat zum Ziel, Bürger/innen aktiv in die
Integrationsarbeit vor Ort einzubinden z.B. durch Lesepatenschaften und
„Kulturkochen“. Des Weiteren unterstützt die SPD die Arbeit des
Behindertenbeirats und hat wesentlich dazu beigetragen, dass die
Neuberufung des Behindertenbeirats zu einer Stärkung der
Behindertenpolitik beitragen kann. Die SPD schlägt die Einrichtung einer
Freiwilligenagentur in Tempelhof-Schöneberg vor, in welcher möglichst
alle im Bezirk vorhandenen freien Träger und Initiativen vertreten sein
sollen.
Christian Zander - CDU:
Entscheidend für mehr bürgerschaftliches Engagement ist die Hervorhebung
des Ehrenamtes im öffentlichen Leben. Wer mehr Engagement möchte, muss
un-abhängig vom Alter den sozialen Status der Menschen heben, die sich an
unterschiedlichen Stellen für die Allgemeinheit engagieren. Dies ist
wichtiger als finanzielle Vergünstigungen.
Jörn Oltmann - Bündnis 90/ DIE GRÜNEN:
Es ist nicht möglich, alle Vorschläge aufzuzählen. Wir haben z. B. in
der vergangenen Wahlperiode die Kooperation zwischen Anwohner/innen und
dem Fachbereich Natur des Bezirksamtes angeregt, um wohnortnahe
Grünflächen umfassender zu pflegen und damit für die Bürgerinnen und
Bürger besser nutzbar zu machen. Denkbar sind auch Patenschaften durch
Gewerbetreibende oder Privatpersonen. So haben wir die BI Feurigstraße
unterstützt, die Grünpflege von Baumscheiben übernehmen zu können.
Letztes Beispiel ist die im Bezirk herausgegebene Verdienstmedaille für
ehrenamtliches Engagement, bei dem wir uns im Vergabegremium beteiligen.
Monika Schuch - FDP:
Es gibt viele unterschiedliche Gründe für Menschen, sich ehrenamtlich zu
engagieren. Ehrenamt lässt sich nicht staatlich verordnen.
Wichtig ist, dass der Bezirk auch jedes Jahr ehrenamtlich engagierte
Menschen auszeichnet. Wir sollten auch künftig verstärkt darauf achten,
Jugendliche auszuzeichnen, die sich z.B. besonders in ihren Schulen
verdient gemacht haben, um so auch wieder verstärkt junge Menschen an das
Ehrenamt heranzuführen. Denn eins ist klar: Wer als Kind oder
Jugendlicher ehrenamtliche Arbeit im Verein kennen gelernt hat, ist an
sich ein Stück weit aufgeschlossen dafür.
Die Fragen an die in der BVV vertretenen
Parteien stellte
Renate Birkenstock
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April 2008 Stadtteilzeitung
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