Orte und Plätze in Schöneberg | ||||
Die General-Pape-Straße
Ostern, Zeit der Frühlingsspaziergänge
und des Eierversteckens. Waren Sie schon mal in der General-Pape-Straße?
Kein idealer Ort für solche Aktivitäten, aber das soll sich ändern. Das
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg will das Umfeld des neuen Bahnhofs
Südkreuz aufwerten und hat dafür Fördermittel aus dem Programm
"Stadtumbau West" bewilligt bekommen. Ein
"Geschichtsparcours" wird ein erster Schritt sein, das Gelände
zwischen General-Pape-Straße, Loewenhardtdamm und Gontermannstraße
attraktiver zu gestalten und dem Besucher die spannende Vergangenheit
dieser Ecke zu darzustellen. Nach dem Ersten Weltkrieg waren diese Einrichtungen größtenteils überflüssig, andere Nutzer zogen auf das Gelände. Die Kleingärten bestanden schon seit 1915, weil Selbstversorgung zur Existenzsicherung gehörte. In den Gebäuden fanden Behörden wie das Versorgungsamt und Flüchtlingsunterkünfte ihren Platz. Eine Autowerkstatt und ein Hersteller für Schreibmaschinenteile zogen zu. Dieser Prozess ging nach dem Zweiten Weltkrieg weiter. Die Wilhelm-Foerster-Sternwarte fand ein vorübergehendes Quartier im ehemaligen Offizierskasino. Senatsreserven wurden hier eingelagert. Heute sind nur noch wenige alte Kasernengebäude erhalten und stehen selbstverständlich unter Denkmalschutz Nun der "Praxistest", ich begebe mich auf die Tour des geplanten "Geschichtsparcours". Etwas abweichend von der vorgegebenen Nummerierung beginne ich meine Spurensuche am Bahnhof Südkreuz. Der Bürgersteig ist schmal, Absperrungen für Bauarbeiten lassen jedoch auf eine Neugestaltung hoffen. Ich folge der General-Pape-Straße nach Norden. Immer wieder kommen Einfahrten zu den Gewerbehöfen. Reger Betrieb ist zu erkennen. Die Mischung aus Designer-Tischlerei, Metalldesign-Firma sowie Aalräucherei lässt auf einen funktionierenden Standort schließen. Sogar eine Hundeschule hat sich etabliert. Besonders erwähnenswert ist das
"Weingewölbe Berlin": Diese Weinhandlung zog Ende der achtziger
Jahre aus Charlottenburg hierher. Im Untergeschoss eines alten
Kasernengebäudes wurden Weinprobierstuben eingerichtet, die temporär den
Kunden offen stehen. In Räumen mit preußischen Kappendecken (=spezielle
Deckenart aus Eisen-trägern und Mauerwerk mit gewölbten Feldern, wie auf
den alten U-Bahnhöfen) entsteht eine gemütliche Atmosphäre, die an
Kellereien in Weinanbaugebieten erinnert. Bei einer Weinprobe (=spezielle
Art, die Zunge zu schulen und sich in Urlaubsstimmung zu versetzen) kann
man das Sortiment kennen lernen. Vor der Tür sind einige
Ausstellungstücke aus der Zeit zu besichtigen, als das Keltern noch
Handarbeit war. Den Groß- oder Schwerbelastungskörper habe ich schon seit Jahren von der S-Bahn aus gesehen. So dicht war ich aber noch nie ´dran. Er besteht aus massivem Beton. Ähnlich wie eine Insel, deren Ufer genauso stark bis zum Meeresgrund abfällt wie sie sich über dem Meeresspiegel erhebt, soll der 14 m hohe urtümliche Klotz mit einem Durchmesser von 21 Metern noch 18 m tief ins Erdreich reichen. Wozu wurde er errichtet? Im Auftrag der Generalbauinspektion wurde 1941 die Belastbarkeit des Baugrundes an dieser Stelle getestet. Ein steinerner Triumphbogen sollte nach dem „Endsieg“ an dieser Stelle folgen. Bekanntlich wurde daraus nichts, doch nichts hält so lange wie ein Provisorium, auch nach dem Krieg wurde der Körper für Testzwecke genutzt. (Für die Bauinteressierten: Die Gründungsart eines Bauwerks ist abhängig vom vorhandenen Untergrund. Unser märkischer Sand ist besser als Sumpf, aber nicht so tragfähig wie Fels. Die umfangreichen Tabellenwerke, die es für die Berechnungen der Ingenieure gibt, sind nicht nur das Ergebnis von Modellversuchen, sondern wurden auch in der Praxis entwickelt.) Nun steht der Schwerbelastungskörper eingerüstet da, weil eine Aussichtsplattform errichtet wird. Der Verein "Berliner Unterwelten" wird hier mitwirken, den Geschichtsschauplatz zu gestalten. Den großen städtebaulichen Bruch erlebt man, wenn der Weg auf der östlichen Seite des Areals fortgesetzt wird. Der Loewenhardtdamm und die Gontermannstraße sind ruhige Wohnstraßen. "Das Exerzierfeld wird zur ‘Gartenstadt’ heißt es dazu in der Broschüre, und die Geschichte der Bebauung des Tempelhofer Feldes wird beschrieben. Weiter geht es in die letzte Kurve zum Werner-Voß-Damm 54a. In diesem Kasernengebäude unterhielt die sogenannte "SA-Feldpolizei" von März bis Dezember 1933 ein Gefängnis. Ca. 2000 Menschen wurden hier inhaftiert, viele Häftlinge gefoltert, einige sogar ermordet. Eine Gedenktafel soll daran erinnern. Die Tafel ist zugeparkt. Vielleicht wird bei der Neugestaltung der Interessenskonflikt - erforderliche Kfz-Stellplätze - Gedenken an die NS-Zeit - glücklicher gelöst. Fazit: Das Gesehene und Erlebte auf meinem Rundgang verstärkte nicht in allen Punkten meine Vorstellung von dem, was ich vorher gelesen habe. Überhaupt habe ich mich als Fußgängerin abschnittsweise wie ein Exot gefühlt. Aber das Einladende soll ja noch kommen. Als geschichtsinteressierte Schönebergerin würde ich mich sehr freuen, wenn das Projekt so erfolgreich umgesetzt wird, dass der Parcours ein Anziehungspunkt wird, der über die Bezirksgrenzen hinweg die Besucher anzieht. Marina Naujoks . |
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