"Stille Helden" nennt
Inge Deutschkron Menschen, ohne deren Hilfe ihre Mutter und sie in Berlin
die Zeit des faschistischen Terrors bis 1945 nicht überlebt hätten. Es
waren 20 - die meisten Frauen. Mit dem Buch "Sie blieben im
Schatten" ehrt sie fünf der Helfenden, schildert nüchtern und
warmherzig deren Mut, Kraft und Mitgefühl.
Da waren die Eheleute Gumz mit ihrer
Wäscherei. November 1942 sagte Emma Gumz zu Frau Deutschkron: "Sie
nehmen den Stern ab und kommen zu uns. Wir verstecken Sie! ... Der
Nachbarsjunge wäre als Soldat in Polen gewesen, und er hätte dort
gesehen, was sie mit den Juden machen." Die Bäckersfrau Klara
Krüger wollte nichts mit Politik zu tun haben. Nach den massiven
Gewaltakten gegen Juden in der so genannten Reichskristallnacht begann
sie, neu zu verstehen und zu fühlen, entwickelte Zivilcourage und gab
Verfolgten rettende Hilfe. In der Besenbinderei und Bürstenfabrik von
"Papa Weidt" fanden etwa 30 blinde und taubstumme Juden Arbeit,
Schutz, Wärme und Menschlichkeit.
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Auch er widerstand in einer extremen Zeit den vorherrschenden
Verhaltensmustern, Meinungen und Normen. Spannend und bemerkenswert sind
die Lebensgeschichten dieser erstaunlichen Menschen und dennoch bis heute
kaum bekannt und gewürdigt.
"Stille Helfer" waren überwiegend Frauen, fand Inge Deutschkron mit einer Statistik heraus. Auch Prostituierte, selbst
verachtet und verfolgt, boten jüdischen Familien Verstecke an. Vor allem
politische Feinde der Nazis sorgten für Hilfe. Die Helfer kamen aus allen
Bevölkerungsschichten, besorgten Lebens-mittel, gefälschte Papiere,
schützten als "U-Boote" vor dem polizeilichen Zugriff,
riskierten ihre eigene Existenz. Es waren zu wenige. In Berlin versuchten
5.000 bis 10.000 jüdische Menschen illegal der Deportation und
Vernichtung zu entgehen. Nur 1423 Überlebende meldeten sich nach dem
Krieg.
Durch diese persönliche Lebenserfahrung geprägt, engagiert sich Inge
Deutschkron auch mit 83 Jahren, wie in den letzten Jahrzehnten. Die jetzt
in Berlin sesshafte Schriftstellerin und Journalistin lebte abwechselnd in
der BRD und in Israel, war Korrespondentin in Bonn, schrieb für indische
und israelische Zeitungen, veröffentlichte mehrere Bücher. Es geht um
Wissen, Verständigung, Verständnis, um "Frieden, einfach nur
Frieden".
Im Rahmenprogramm der Ausstellung „Wir waren Nachbarn - 102 Biografien
jüdischer Zeitzeugen“ gibt es mit Inge Deutschkorn die Lesung:
"Zufluchtsort: Nachbarschaft" mit
Gesprächsmöglichkeit.
7. März 2006, 18 Uhr,
Rathaus Schöneberg,
Alt-Schöneberger-Saal
Annetta Mansfeld
März 2006 Stadtteilzeitung
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