Wenn Löwen aufjaulen | ||||
Wildnis am Bayerischen Platz
Wieder soll hier ein fast hundert Jahre
alter Schmuckplatz vorgestellt werden. Repräsentativ lag er bei seiner
Entstehung 1907 da – zerstört nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem
städtebaulichen Leitbild der fünfziger Jahre wurde er wiederaufgebaut.
Und jetzt? Der Bayerische Platz hat schon bessere Tage
gesehen. Nach den Vorstellungen des Magistrats der Stadt Schöneberg unter
seinem Bürgermeister Rudolph Wilde sollten die Schmuckplätze
Übergangszonen zu den luxuriösen, mit allem Komfort ihrer Zeit - damit
sind die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg gemeint- ausgestatteten
Wohnhäusern bilden. Fritz Encke, der auch bei der Gestaltung anderer
Grünanlagen in Schöneberg federführend war, wählte Pyramidenpappeln
und Wegen der zahlreichen wohlhabenden
jüdischen Bürger, die in den Anfangsjahren hier wohnten, wurde das
Bayerische Viertel auch jüdische Schweiz genannt, prominentester
Vertreter war Albert Einstein. An die Verfolgung und Vertreibung der Juden
erinnert ein "Flächenmahnmal": 1993 schufen die Künstler
Renata Sih und Frieder Schnock 80 Tafeln, die überall in den
Seitenstraßen an Laternenpfählen befestigt sind und auf denen
Gesetzestexte aus der nationalsozialistischen Zeit zitiert werden, die den
ausgeübten Druck deutlich machen. Heute passt der Bayerische Platz offenbar
in keine "Schublade": Er liegt nicht so innerstädtisch wie der
Wittenbergplatz, der im Blickpunkt der Berlinbesucher steht, seine Fläche
ist nicht geeignet für Märkte oder andere Veranstaltungen wie der
Winterfeldtplatz, er ist nicht interessant für die Gartendenkmalpflege
wie der Viktoria-Luise-Platz. Positiv zu verzeichnen ist ein Vertrag mit der Fa. Wall, die sich verpflichtet hat, den Brunnen wieder instandzusetzen, und Wasser fließen und sprudeln zu lassen. Grundsätzlich kämpft Frau Heinrich jedoch mit dem Problem, dass die Mittel jährlich drastisch gekürzt werden. MAE-Kräfte, auf Deutsch Ein-Euro-Jobber, werden für gärtnerische Arbeiten zugewiesen, dürfen aber die Grundpflege nicht ausführen, sondern stehen nur für zusätzliche Aufgaben zur Verfügung. Wünschenswert in ihren Augen wäre mehr Engagement der Anlieger: Baumspenden, Übernahme der Pflege etc. Vielleicht kommt diese Botschaft an... Was ich persönlich darüber hinaus vermisse: den Bezug zu Bayern. Bei der Gründung des Bayerischen Viertels sollten Städtenamen aus südlichen Regionen, neben Bayern auch aus Tirol, angenehme Assoziationen wecken und für eine gediegene Wohngegend stehen. Noch heute hat das Weißblau eine starke Strahl- und Anziehungskraft, in der Werbung, in der Unterhaltungsbranche, als Urlaubsziel. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Anlieger diesen Effekt nutzen könnten. Vielleicht gibt es auch ein erwachendes Interesse der in Berlin nicht immer heimisch gewordenen Bayern, die sich in ihrer neuen Umgebung engagieren wollen? Eines Tages werden wir beim Anblick des Löwen glauben können, ein starkes Brüllen zu hören. Marina Naujoks Juli 2006 Stadtteilzeitung < Inhaltsverzeichnis |
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