Frauen und Sterne, Trümmerberg und
Forschungsstätte
Wissen Sie genau, wie der Termin für Ostern festgelegt
wird? Es ist der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Falls Ihnen dies nicht
bewusst war, können Sie staunen, wie Sternkonstellationen unser tägliches Leben
bestimmen, ohne gleich an Astrologie zu denken. Falls doch, sind Sie sowieso an den
Gestirnen interessiert. In unserer Reihe "Plätze und Orte" soll der Insulaner,
der Ort in Schöneberg, wo man den Sternen am nächsten ist, das Thema sein. Gleichzeitig
sollen auch - passend zur Veranstaltungsreihe "Frauenmärz"- Frauen im
Mittelpunkt stehen.
Maria Margarethe und Christine Kirch haben schon Anfang des 18. Jahrhunderts in Preußen
ihre astronomische Beobachtungen und Berechnungen dokumentiert. Eine exakte
Kalenderberechnung war in einer Zeit, als die heimische Landwirtschaft in der
Ernährungsgrundlage eine viel größere Rolle als heute spielte, sehr wichtig. Nicht nur
die Zeit für das Säen und Ernten konnte besser geplant werden, auch Markttage
interessierten Stadt- und Landleute.
Anfangs half Maria Kirch ihrem Mann, dem Astronomen Gottfried Kirch, in der damals neuen
Sternwarte der Königlich Preußischen Societät der Wissenschaften bei seiner Arbeit.
Nach seinem Tod 1710 setzte sie sein Werk fort. Durch die Herausgabe einer Schrift über
die bevorstehende Konjunktion von Jupiter und Saturn 1712 tritt sie eigenständig in
Erscheinung, denn - wie zur damaligen Zeit üblich - hat sie vorher ihre Ergebnisse unter
dem Namen ihres Mannes veröffentlicht. Tochter Christine tritt später ihre Nachfolge an.
Heute können wir die Sterne über Schöneberg vom "Insulaner" aus beobachten.
Dieser 74 Meter hohe "Berg" ist ein künstliches Gebilde, das erst nach dem
Krieg durch Aufschüttung von Trümmern entstand. Rund 1,5 Millionen Kubikmeter Schutt
wurden hier abgeladen. Eine Abdeckung mit Erde und das Anpflanzen vieler junger Bäume
ließen eine Grünanlage entstehen, die einen besonderen Abschlusspunkt des Südgeländes
bildet. 1962 wurde die "Wilhelm-Foerster-Sternwarte", benannt nach dem früheren
Direktor der Berliner Universitätssternwarte, auf dem Gipfel errichtet, wobei es nicht
einfach war, auf dem aufgeschütteten Gelände eine sichere Gründung herzustellen. Der
Bau des Zeiss-Planetariums folgte drei Jahre später. Architekt war Carl Bassen.
Namensgeber für den Berg war das Kabarett "Die Insulaner". Unter der Leitung
von Günter Neumann wurde in den fünfziger Jahren die emotionale Befindlichkeit der von
der DDR (damals noch "Ostzone" genannt) eingeschlossenen Westberliner, aber auch
scharfer politischer Witz in kabarettistische Form umgesetzt. Um auch hier wieder die
Frauen in der Vordergrund treten zu lassen (Liebe männliche Leser, nicht böse sein, Sie
werden auch wieder im Mittelpunkt stehen) seien "Die Klatschdamen vom
Kurfürstendamm", die von Tatjana Sais und Agnes Windeck verkörpert wurden, genannt.
In diesen Rollen ließen sie sich über das Berliner Kulturleben aus.
Legendär bleibt die Erkennungsmelodie des Kabaretts:
"Der Insulaner verliert die Ruhe nich, der Insulaner liebt keen Jetue nich! Der
Insulaner hofft unbeirrt, dass seine Insel wieder'n schönes Festland wird!
Zwischen Blockade und Mauerbau war dieses Kabarett politisches Stimmungsbarometer der
Berliner. Als die Hoffnung schwand, etwas ändern zu können, verebbte auch der Witz der
Insulaner.
Heute erinnert eine Gedenktafel auf dem Berg an diese Zeit. An schönen Tagen hat man
einen weiten Blick über die Stadt. Im Winter ist die Rodelbahn, im Sommer das benachbarte
Freibad Anziehungspunkt. Und wenn es Nacht wird, ist es verlockend, einen Blick in den
Himmel zu werfen. Der romantische Anblick der Sterne lässt selbst professionelle
Astronomen nicht unberührt. Doch darüber können Sie sich in der Sternwarte informieren.
Marina Naujoks
März 2005 Stadtteilzeitung
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