Bronzegiesserei Noack - seit über 100 Jahren in Bestform


  
Als im Jahre 1895 der junge Hermann Noack in einer Wilmersdorfer Kellerwerkstatt seinen Betrieb gründete, konnte er nicht ahnen, dass sein Betrieb zwei Jahre später nach Friedenau umsiedeln und noch im nächsten Jahrtausend am selben Ort existieren und Aufträge aus aller Welt entgegennehmen würde. Obwohl - bis nach Amerika hatte ihn sein Fachwissen schon gebracht, bevor er sich selbständig machte, und Kaiser Wilhelm II. verlieh ihm einen Orden. Wie in einer Fürstendynastie wurde der Name des Inhabers an seine Nachkommen weitergegeben: Heute leitet Hermann Noack IV. die Traditionsgießerei, und der Senior, Hermann III., führt mich über das Werksgelände.

Wollte auch er nie etwas anderes sein als Kunstgießer? "Oh, eigentlich wäre ich gerne Maler geworden. Ich wollte an die Akademie. Aber irgendwie haben sie mich rumgekriegt...", meint er und lacht. Und mit Malern hat er dennoch etwas zu tun. "Viele Künstler kommen von der Malerei zur Bildhauerei, etwa Fetting und jetzt sogar Baselitz." Die Liste der weltberühmten Künstler, die bei Noack gießen lassen, ist lang und im Internet einzusehen.

Es war von Anfang an das Erfolgsrezept der Familie, sich als Gießer den besten Künstlern der Zeit anzubieten, anstatt sich wie die Konkurrenz nur als marktübliche Handwerker zu verstehen. So fanden sich als "Hauskünstler" bald August Gaul, Hans Arp, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach, Renée Sintenis und andere ein, die sich auch in die Geheimnisse der künstlerischen Metallbearbeitung einweihen ließen - ein Novum in der Welt der Gießereiwerkstätten. Im Krieg musste die Gießerei im Regierungsauftrag für die AEG gießen, doch auch hier herrschte Arbeitskräftemangel. Dem Betrieb wurden niederländische Zwangsarbeiter zugewiesen, die auf dem Werksgelände beherbergt, verköstigt und entlohnt wurden. Sie erhielten auch Urlaub - und kamen nach dem Urlaub wieder.

In den Fünfziger Jahren stand die Rekonstruktion der Quadriga an. Mitten in den Arbeiten starb Hermann Noack II., sein Sohn musste mit erst 27 Jahren die Firma weiterführen. Doch wie sollte er die Mitarbeiter halten, nachdem die Quadriga fertig war? Der Zufall brachte Henry Moore in Kontakt mit Noack - ein Probeteil, und es war klar: Für alle Folgearbeiten kam nur noch die Friedenauer Gießerei in Betracht. Der Erfolg hält bis heute an. Wer mit neugierigen Augen S-Bahn fährt, kann etwa in Höhe Bundesplatz einen Blick von oben auf den Noackschen Hof werfen, wo sich die Kunst des 19., 20. und 21 Jahrhunderts ein Stelldichein gibt. Grazien flirten mit gewaltigen Gnomen, abstrakte Formen konkurrieren mit naturalistischen Tierdarstellungen, und über alles zieht sich der zarte Grauschleier des allgegenwärtigen Gipsstaubes. Was hat er da zu suchen? Wie geht das Bronzegießen überhaupt vor sich?

Wir tauchen in das Gewirr ineinander übergehender Arbeitsbereiche ein. Am Anfang steht das Modell. Viele Künstler kommen auf das Werksgelände, um hier vor Ort zu arbeiten. Der notwendige Ton liegt dann schon für sie bereit. Das Tonmodell wird in Silikon abgeformt. Diese Negativform wird mit Wachs ausgekleidet, und zwar so dick, wie später die Bronzewand stark sein soll. Das Silikon wird wieder entfernt, eine Wachsgussform ist entstanden. Die Hohlräume und die tonnenartige Außenform werden mit Gips gefüllt, und dieses Tönnchen wird nach dem Trocknen in einen wandbedeckenden Riesenofen geschoben, wo das Wachs ausgeschmolzen wird. Im Gips bleiben Hohlräume zurück, die nun mit flüssiger Bronze gefüllt werden. Das Metall wird in anderen Öfen gekocht, die bei Noack im Boden versenkt sind. Das Gießen selbst erfordert viel Zartgefühl, damit sich keine Luftblasen bilden, die den ganzen Guss ruinieren könnten. Zwar gibt es in der Werkstatt auch einen Raum für Nacharbeiten wie Schleifen, Schweißen, Polieren und Vergolden, aber je perfekter schon der Guss, desto größer Zeit- und Geldersparnis.

Denn natürlich hat auch eine renommierte Gießerei mit der derzeitigen Konjunktur ihre Schwierigkeiten. Das früher übliche Sandabformverfahren wird daher aus Kostengründen nicht mehr häufig angewandt; Wachsausschmelze geht schneller. Allerdings: "Wenn große glatte Flächen gewünscht werden, sind Sandformen einfach besser", sagt Hermann Noack III. Andere Künstler arbeiten gleich in Wachs - knallrot ist dieses Wachs, da muss ein Künstler schon viel Vorstellungskraft besitzen, um sich das bronzene Endergebnis vorstellen zu können. Elvira Bach, Anselm Kiefer, Tony Cragg, der Brite, oder die Japanerin Ikemura, Norweger, Holländer, Italiener - alle lassen bei Nocks gießen - eine genaue Übersicht findet sich auf ihrer Homepage.

Allerdings: Die Gießer sind nicht immer alles losgeworden. So ziert den Hof seit den dreißiger Jahren ein gewaltiges Ross von Milly Steger, das eigentlich den Eingang eines Trakehnergestütes zieren sollte, erzählt Herr Noack. "Doch als die Züchter kamen, um die Skulptur abzuholen, gingen sie ein paar Mal schweigend drumherum und sagten dann, ein Tier mit dermaßen vielen Pferdekrankheiten könnten sie sich un-möglich hinstellen, da würden sie sich ja den Ruf ruinieren. Und seitdem steht es hier."

Literatur:
Bronzegiesserei Noack, P. O. Schulz, U. Baatz 1993 (vergriffen; antiquarisch oder in Bibliotheken)
www.noack-bronze.com

Sanna v. Zedlitz

Bild oben: Quelle Sanna von Zedlitz
Bild unten: Quelle Festschrift Giesserei Noack

 

Juli/August 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

für Besucher aus der Kiezbox: zurück zur Kiezbox