Scharfer Durchblick bei der Optischen Anstalt C. P. Goerz

 
Donnerwetter, kolossal interessante Spurensuche! Panoramafernrohre, die bei feststehendem Okular auf Ziele im gesamten Umkreis gerichtet werden konnten. Kameras, die erstmalig Momentaufnahmen möglich machten. Alles "made in Friedenau", alles sehr wichtig für den Kaiser und das Militär.

Kurz vor Steglitz, aus Schöneberg kommend, sieht man auf der linken Seite ein Gebäudeensemble, das an eine Fabrik erinnert, aber ganz sicher kann man sich bei der Formsprache damaliger Baumeister ja nie sein. Und eine stinkende, qualmende Produktionsanlage in dieser feinen Vorortsiedlung? Unvorstellbar. Und doch wurden hier über Jahre optische Geräte und Instrumente von solch hoher Qualität gefertigt, dass sie weltweit den besten Ruf genossen, wenngleich der Verwendungszweck im militärischen Bereich den Menschen nicht nur technischen Fortschritt brachte.
Wie viele Weltunternehmen begann die Firmengeschichte der Goerzwerke 1886 mit einem Ein-Mann-Betrieb ("Versandhaus für mathematische Instrumente") in der Zimmerstraße in Mitte. Die Fotografie stand in ihrer Entwicklung noch ganz am Anfang. In Jena gründete Carl Zeiss sein Werk und war damit lange Zeit führend. Hier in Berlin setzte man auf "Amateurphotographie": 2 Jahre nach Firmengründung stellte Goerz eigene Kameras her.

C.P. Goerz, Spezialfabrik photographischer Amateur-Apparate" hieß die Firma bei ihrem Umzug nach Schöneberg 1889, später "Optische Anstalt C. P. Goerz". Das Unternehmen wuchs, Neuentwicklungen wie die Goerz-Anschütz-Kamera sorgten für den Durchbruch. Parallel zu dem wirtschaftlichen Boom wurden neue Räume für Forschung und Fertigung erforderlich. Auf günstige Transportwege für Schwerlasten musste nicht unbedingt geachtet werden, die Nähe zu einem ähnlichen Betrieb (Carl Bamberg) und die Änderung der baurechtlichen Vorschriften machten das alte Mühlengrundstück am sog. Friedenauer Winkel interessant.
1897 wurde Richtfest gefeiert, fünf Monate später das neue Haus bezogen. Es war bald wieder zu eng, so dass kontinuierlich weiter gebaut wurde. Jeder Bauteil repräsentiert die Weiterentwicklung des Industriebaus zur wilhelminischen Zeit.
Wer sich detailliert dafür interessiert, dem sei die Veröffentlichung "Schöneberg auf dem Weg nach Berlin, Handel und Gewerbe" vom Bezirksamt empfohlen. So entdeckt man darin ein Foto von 1914 mit Kundschaft fernöstlicher Herkunft.
Fast wie heute...

Während des Ersten Weltkrieges entstand in Zehlendorf ein neues Werk. Doch nach Kriegsende musste sich die auf Rüstungsaufträge ausgerichtete Firma umstellen. Es folgten die Aufteilung und der Verkauf in den zwanziger Jahren an größere Unternehmen, die jedoch am gleichen Standort weiterproduzierten und während der Aufrüstung vor dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance erlebten.

Das endgültige Aus für den Friedenauer Standort gab es erst 1961. Nach dem Mauerbau wurde die Firmenverwaltung nach Obercochem ins damalige Mutterwerk verlegt. Seitdem wird das Gebäude von unterschiedlichen Mietern genutzt.

Marina Naujoks

Bild oben: Görz-Werke an der Rheinstraße 1905, Quelle: Sammlung Hermann Ebling
Bild unten: Panoramafernrohr-Justiererei um 1910, Quelle: Firmenfestschrift Goerz, Archiv Tempelhof-Schöneberg

 

Juli/August 2005  Stadtteilzeitung Inhaltsverzeichnis

für Besucher aus der Kiezbox: zurück zur Kiezbox