Die Friedenauer Tänzerin,
Choreographin und Tanzpädagogin Livia Patrizi
Was hat Royston Maldoom (Choreograph aus dem Film "Rhythm is it") mit Friedenau
zu tun? Eine ganze Menge, dank des Engagements der Friedenauer Tänzerin, Choreographin
und Tanzpädagogin Livia Patrizi. Sie zog aus dem Film "Rhythm is it" die
logische Konsequenz, Tanz müsse überall an Berliner Schulen von professionellen Tänzern
unterrichtet werden. Patrizi nahm Kontakt zu Maldoom auf, der aufgrund seiner Erfahrungen
in Berlin ein großes Interesse daran hat, seine Methode der Persönlichkeitsbildung durch
Tanz bekannt zu machen. Am 10. April wird er über seine tänzerische Kinder- und
Jugendarbeit in Europa und Afrika eine öffentliche Lecture im Podewil halten (s.u.) Seine
Popularität aus dem Film über die Inszenierung von Strawinskys "Sacre du
Printemps" unter der Leitung von Sir Simon Rattle stärkt seine Position als Mentor
des von Livia Patrizi initiierten Berliner Projektes. Patrizi bringt Tanzschaffende aus
Tanz-Theatern, Tanzschulen, Jugendkultureinrichtungen und andere Tanzinitiativen mit
Schulpädagogen zusammen. Die Senatsverwaltung für Schule, Jugend und Sport unterstützt
das Vorhaben.
Livia Patrizi wuchs in Neapel auf und lebt seit 2000 mit ihren beiden Kindern in Berlin.
Ihre Ausbildung erhielt sie an der Folkwang Hochschule in Essen. Sie kennt die Bühnen von
Rom, Neapel, Basel, Stockholm, Paris, Weimar und Berlin, erteilte neben eigenen
Gastspielen den dortigen Tanzensembles professionellen Tanzunterricht und tanzte mit
namhaften internationalen Tanzcompanies wie jenen von Pina Bausch, Maguy Marin und dem
Culberg Ballett.
Unter anderem erarbeitete sie mit 5- bis 8-Jährigen in der Friedenauer Alten
Bahnhofshalle in nur drei Monaten eine einstündige Tanztheatervorführung nach den Ideen
der Kinder, die der Autorin vor Augen führte, welches Potenzial in unserem Nachwuchs
steckt.
Die Gesellschaft für Zeitgenössischen Tanz in Nordrheinwestfalen führt schon seit 2003
mit sehr großem Erfolg "Tanz im Angebot der offenen Ganztagsschule" durch, das
von Lehrern, Eltern und Schülern mit Begeisterung aufgenommen wird. Die Erfahrungen aus
dieser Zeit werden in die Berliner Arbeit einfließen.
Patrizis Projekt in Zusammenarbeit mit dem Dachverband Zeitgenössischer Tanz Berlin e.V.
soll schon im nächsten Schuljahr an Berliner Grundschulen starten, denn in jungen Jahren
ist die Bewegungsfreude noch nicht von lästigen Konventionen gebrochen.
Selbstverständlich gibt es im Rahmen des Sport- oder Musikunterrichts schon lange
Tanzelemente. Patrizi macht jedoch klar, dass die achtjährige Ausbildung eines
professionellen Tänzers einen anderen Zugang zu Tanz als Bestandteil der Darstellenden
Kunst eröffnet.
Tanzerziehung stehe gleichberechtigt neben Kunsterziehung. "In Großbritannien ist
meine Arbeit ganz normal," sagt Royston Maldoom; "hier wirkt sie ungewöhnlich
und spektakulär." In Frankreich kann Tanz sogar als Abiturfach gewählt werden, und
auch in den Niederlanden wird Zeitgenössischer Tanz an Schulen gelehrt. In Deutschland
dagegen herrscht noch weitgehend die Meinung, dass tänzerischer Ausdruck entweder
klassisches Ballett einerseits oder Ringelpiez mit Anfassen andererseits bedeutet.
"You can change your life in a dance class", sagt Royston Maldoom. "Dance
can give a voice to the voiceless."
Körpergefühl, Raumbeherrschung, Musikalität, ästhetische Bildung und Konzentration
sind nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis der Beschäftigung mit Tanz. Und welcher Stolz
auf die eigene Leistung, eine eigene Choreographie erarbeitet und vorgeführt zu haben!
Schon die renommierte Zeitschrift GEO hat im letzten Jahr ausführlich dargelegt, welche
tiefgreifenden Veränderungen die Beschäftigung mit Musik und Rhythmus im menschlichen
Gehirn hervorruft. Logik, mathematisches Denken, die Fähigkeit, Sinnzusammenhänge zu
erkennen: Der Intellekt wird in jeder Hinsicht geschult, ungeachtet jeder sozialen oder
kulturellen Herkunft. Selbstbeherrschung, Disziplin und Beweglichkeit, wie sie im Tanz
außerdem noch rein körperlich geübt werden, tun ein Übriges. Kreative, selbstbewusste,
lösungsorientierte, achtsame Menschen wachsen so heran. Ist es nicht das, was die Welt
braucht?
Man sollte meinen, ein so ganzheitlich positiv wirkendes Unterrichtsfach müsste schon
längst zum Pflichtfach an Schulen gemacht worden sein. Und selbst wenn keine Sponsoren
gefunden werden sollten: Mit ca. 2 bis 3 Euro pro Kind und Stunde ist das Projekt auch
privat finanzierbar.
Interessierte Lehrer, Eltern und Kunstschaffende sind eingeladen, sich persönlich über
das Projekt zu informieren:
Am Sonnabend, den 9. April 2005 um 11 Uhr findet im Podewil, Klosterstraße 68-70 in
Berlin-Mitte ein Symposium statt. Vortragende sind Prof. Gabriele Brandstetter (FU
Berlin), Henrike Grohs (Education Programm der Berliner Philharmoniker), Royston Maldoom
(Tanzpädagoge u. Choreograph), Mitglieder des Landesbüros Tanz Köln u.a. Lecture
Royston Maldoom: 10. April 2005, 11-13 Uhr, Podewil. Weitere Informationen und Anmeldung
zum Symposium: ZTB (Zeitgenössischer Tanz Berlin e.V.), Janet Alvarado (alvarado@ztberlin.de)
Sanna v. Zedlitz
April 2005 Stadtteilzeitung
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