Lehrerin und Therapeutin
Ihr Psychologie-Kurs in der VHS, "Sei wer Du bist", sagt Elke
Schulze-Eggebrecht, sei ein "Dauerläufer". Vielleicht ist das, in anderem
Sinne, auch eine Beschreibung für sie selbst: Die Kraft einer Marathon-Läuferin braucht
sie manchmal, um in ihrem Hauptberuf als Lehrerin einer Kreuzberger Sonderschule
"nicht beschulbare" Kinder und Jugendliche auf einen Weg zu bringen, der ihnen
überhaupt eine Beteiligung am gesellschaftlichen und beruflichen Leben ermöglicht. Diese
Arbeit ist nicht mit Erfolgserlebnissen gepflastert - im Gegenteil muss sie oft sehen, wie
die lernbehinderten Schüler/innen für Schule nicht zu begeistern sind, auf die schiefe
Bahn geraten, schon früh an den Ansprüchen dieser Gesellschaft scheitern. In Kontakten
mit Eltern, Sozialarbeitern, Bewährungshelfern, Jugendamt und anderen Stellen versucht
sie dann, doch noch Wege für ihre Schüler zu finden. Demnächst will sie ein neues
Konzept der Berufsorientierung für Zehntklässler erproben - den möglichen Erfolg sieht
sie kritisch realistisch und ist dennoch in ihrem Engagement nicht zu stoppen.
Angefangen hat Elke Schulze-Eggebrecht als "ganz normale" Lehrerin, zunächst an
der Realschule, dann aber recht bald in einer Berliner Modell-Gesamtschule mit
Kleingruppen-Klassen. Irgendwann reichte ihr der "Lehrer-Ansatz" nicht mehr aus;
sie suchte die neue Herausforderung, neue Erkenntnisse und Widerstände. So pausierte sie
als Lehrerin, ließ sich mehrere Jahre berufsbegleitend gestalt- und körpertherapeutisch
ausbilden, eröffnete in Berlin eine eigene Praxis und gab Psychologiekurse in
Westdeutschland und an der Volkshochschule Tempelhof. Alleinerziehend mit einer Tochter
war dieses unstete Wanderleben jedoch schwer zu organisieren. So kam sie zurück an die
Schule in eine Stelle, in der sie ihren therapeutischen Ansatz mit schulischer Arbeit
verbinden wollte. Leicht hat sie es sich damit nicht gemacht: "Mich interessiert
schon, wenn es etwas schwieriger ist", sagt sie.
Die Therapeutin Schulze-Eggebrecht muss heute manchmal hinter der Lehrerin zurückstecken.
So ist der Kurs an der VHS Tempelhof-Schöneberg für sie auch so etwas wie ein seltener
Ausflug in eine andere LernWelt, wo Erwachsene freiwillig kommen, aber auch produktive
Widerstände mitbringen, wenn sie sich in der Gruppe einem Elementarthema aussetzen, ihrem
eigenen Selbstbewusstsein. Schulze-Eggebrechts Wochenendkurs will Teilnehmer/innen helfen,
sich akzeptieren zu lernen, wie sie sind. In der Spiegelung der Gruppe lässt sich oft
klarer erkennen, wo man selber steht und erleben, dass Eigenes von Anderen zugelassen und
anerkannt wird.
Durchaus Eigenes tritt auch hervor, wenn man Elke Schulze-Eggebrecht nach ihrem Leben
jenseits pädagogischer Arbeit fragt: Da outet sich die psychotherapeutische
"Marathon-Läuferin" als leidenschaftliche Tangotänzerin - vorzugsweise in den
Kursen der VHS.
April 2005 Stadtteilzeitung
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