Zeugen der Geschichte Schönebergs
Foto: Kleistpark, alliiertes Kontrollratsgebäude und Königskolonaden ca. 1950
Wie Dinosaurier liegen sie entlang der Grunewaldstraße bis zum Kleistpark, Relikte einer
vergangenen Zeit: Für Justiz und Verwaltung, aber auch für die Kunst und Wissenschaft
wurde hier gebaut. Ein bisschen überdimensioniert, mitten im Wohngebiet, ohne Vorplatz,
wirken sie fast fehl am Platz, obwohl sie intensiv genutzt werden. Sie sind Zeugen der
wechselvollen Schöneberger Geschichte.
Die Architekten der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bemühten sich bei der
Lösung ihrer zahlreichen traditionellen und neuen Bauaufgaben, die Formsprache
vergangener Epochen wiederzubeleben. Schon vorher, in der Schaffenszeit Schinkels, gab es
Rückgriffe auf die Antike oder Gotik. Spätestens mit der Gründung des Kaiserreichs 1871
setzte sich der sogenannte Historismus durch.
Romanische, gotische, ja sogar die maurische Architektur wurde wiederentdeckt. Später kam
die Nachahmung der Renaissance, dann die Wiederentdeckung des Barocks hinzu, wobei durch
Vermischung neuerer und älterer Stilelemente eine Neuentwicklung angestrebt wurde. Die so
geschaffenen Bauten zeigen meistens die absoluten Abmessungen ihrer Stilvorbilder,
während die Proportionen nur noch mehr oder weniger ähnlich sind. Neue Baustoffe kamen
zum Einsatz. Auch die alten Raumprogramme, wie z. B. bei einem Schloss waren nicht auf die
neuen Anforderungen übertragbar. In dieser Auseinandersetzung musste sich früher oder
später das Neue durchsetzen, was jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg der Fall war.
Beginnen wir unsere Entdeckungstour:
In der Grunewaldstraße 66-67 steht das
Amtsgericht Schöneberg,
1901-06 von Thoemer und Mönnich erbaut.
Der Mittelrisalit, ein in ganzer Höhe hervortretender Bauteil in der Mitte (typisch für
die Barockzeit) entfaltet seine volle Wirkung beim Betrachten von der gegenüberliegenden
Straßenseite. Aber auch vom Wartburgplatz aus wird der imposante Charakter des Gebäudes
deutlich, eine sog. Laterne (so nennt man den Turmaufbau) überragt alle umliegenden
Gebäude. Ein interessantes Beispiel für einen neobarocken Bau, dem zum Abschluss unserer
Tour ein zweites von demselben Architekten folgen wird.
Der Erweiterungsbau an der Martin-Luther-Straße wurde 1957 von Hermann Jünemann
errichtet, weil der Westflügel im Krieg zerstört wurde. Bei der Verbreiterung der
Martin-Luther-Straße Anfang der siebziger Jahre wurde ein Durchgang geschaffen, der die
Abfangung der gesamten Stirnseite des Altbaus erforderlich machte und das Gleichgewicht
der Proportionen doch etwas stört.
Das ehemalige Polizeipräsidium Schöneberg in
der Gothaer Straße 19
Es befindet sich gleich neben dem Amtsgericht
an der Grunewaldstraße. Es wird heute noch für Polizeizwecke genutzt, der Abschnitt 41
hat dort seinen Sitz.
Errichtet wurde das Gebäude von Launer, Kern und Fürstenau in den Jahren 1911-14. Auch
hier gab es in den fünfziger Jahren einen Neubau, der Flügel an der Grunewaldstraße war
ebenfalls im Krieg zerstört worden und wurde von Bruno Grimmek wieder aufgebaut.
Bei beiden o. g. Ersatzbauten aus der Nachkriegszeit erkennt man die Schwierigkeit, mit
vorhandener Bausubstanz zeitgerecht umzugehen. In beiden Fällen wurde die ehrliche
Variante des Neubaus gewählt, wahrscheinlich aus wirtschaftlichen Gründen, die jedoch
wenig Rückbezüge zu den vorhandenen Gebäuden zeigen.
Fast schon am Kleistpark befindet sich das
ehemalige Botanische Museum in der
Grunewaldstraße 6-7,
1878-80 von Zastrau ,Haesecke und Hellweg
erbaut.
Ja, es gab einen Botanischen Garten auf dem Gelände des Heinrich-von-Kleist-Parks. Hier
befand sich einst der Kräuter- und Gemüsegarten des Großen Kurfürsten, ab 1801
entstand hier ein Botanischer Garten.
Der romantische Dichter Adalbert von Chamisso hat von 1819-1839 hier als "Aufseher
der Pflanzen" gewirkt. Böse Zungen behaupteten jedoch, dass er sich mehr den Liedern
von "Frauen-Liebe und Leben" gewidmet habe.
Nach der Eingemeindung diesen Teils Schönebergs nach Berlin wurde der Botanische Garten
nach Dahlem verlegt. Das ganze Areal sollte für Bauzwecke parzelliert werden. Der
Berliner Presse ist es zu verdanken, dass ein Teil als Park gerettet wurde. Auch die
Namensgebung "Heinrich von Kleist" zum 100. Todestag des Dichters ging auf eine
Initiative aus diesen Kreisen zurück. Seine endgültige und heute als Gartendenkmal
geschützte Gestalt erhielt er 1909-11 von Albert Brodersen.
Doch zurück zum Museumsgebäude: Die botanische Sammlung wurde 1906 ins Museum in Dahlem
verlagert; hier zog die "Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen"
ein. 1923 kam die Studiengemeinschaft für wissenschaftliche Heimatkunde hinzu. Heute
heißt das Ganze "Haus am Kleistpark", das Kunstamt Tempelhof-Schöneberg und
die Leo-Kestenberg-Musikschule mit ihrem vielfältigen Unterrichtsangebot für Kinder und
Erwachsene haben hier ihre Räume. Beide Institutionen sind Mittelpunkt des kulturellen
Lebens in Schöneberg.
Gleich daneben finden wir die
ehemalige Staatliche Kunstschule,
Grunewaldstraße 1-5.
Sie war die "Akademische
Ausbildungsanstalt für das künstlerische Lehramt mit angeschlossener
Werklehrerausbildung". Heute wird das Gebäude immer noch für den selben Zweck, aber
mit anderem Namen genutzt. Die UdK hat hier eine "Filiale". Dieser Bau wurde in
den Jahren 1914-20 von Adams, Wiens und Thür errichtet.
Zum Schluss das bekannteste Gebäude in diesem Kreis,
das Preußische Kammergericht am
Heinrich-von-Kleist-Park.
Thoemer, Mönnich, Fasquel und Vohl wählten
auch hier den neobarocken Stil, wie beim Amtsgericht. Wieder drückt ein reich verzierter
Mittelrisalit Monumentalität aus, im Einklang zum damaligen Selbstverständnis der
Justiz. Aber die spätere Entstehungszeit (1909-13) kann der Grund dafür sein, dass statt
einer strengen Justitia engelsgleiche Figuren mit der Waage die Gerechtigkeit
symbolisiernen, was an die Formgebung des Rokokos erinnert.
Als Schauplatz der "Volksgerichtshof"-Prozesse gegen die Widerstandskämpfer des
20.Juli und nach Kriegsende Sitz des Alliierten Kontrollrates war dieses Gebäude lange
Zeit in den Schlagzeilen. Erst 1990 wurde wieder die "normale" Nutzung
aufgenommen. Heute dient dieses Gebäude als Standort für den Verfassungsgerichtshof
Berlin, die Generalstaatsanwaltschaft, Landesberufsgericht der Architekten und Ingenieure
sowie weiterer Dienststellen der Justiz.
Der straßenseitige Abschluss des Parks wird durch die Königskolonnaden gebildet. Sie
wurden schon 1777 von Carl von Gontard errichtet (endlich echter Barock bzw. Rokoko),
standen ursprünglich in Mitte am Bahnhof Alexanderplatz und wurden 1910, also zeitgleich
mit dem Bau des Gerichts hierher versetzt. Pomona, die römische Göttin des Obstbaus, und
Hermes, der Götterbote, sind als figürlicher Schmuck zu sehen. Die gesamte Anlage
besteht aus Seehausener Sandstein, ein empfindliches Material, das schon mehrmals
restauriert werden musste. Auch in den letzten Jahren zwang der baufällige Zustand immer
wieder zu Absperrungen. Doch jetzt ist der nördliche Teil eingerüstet und wird
denkmalgerecht restauriert, der südliche wird folgen.
Warum Königskolonnaden? Am ursprünglichen Standort waren sie zur städtebaulichen
Unterstreichung der Königsbrücke und des Königstors errichtet worden. Beides gibt es
heute nicht mehr, weil der Festungsgraben zugeschüttet, die Brücke somit überflüssig
und der Stadtgrundriss komplett umgestaltet wurde. Der Bau des Wertheimkaufhauses an jener
Stelle bedeutete dann das Aus. Doch auch damals gab es Kämpfer für den Denkmalschutz. So
kam es parallel mit dem Bau des Gerichtsgebäudes zur Umsetzung nach Schöneberg. Zwar
bemängelten Kritiker, dass durch den Wegfall der brückenbegleitenden Funktion sich ihre
Bedeutung verringert hätte.
Aber so erhielt der Park einen repräsentativen Eingang. Auch während der Bauarbeiten im
Sommer soll die im letzten Jahr begonnene Konzertreihe "Jazz an den Kolonnaden"
in diesem Sommer fortgesetzt werden. Veranstalter ist das Quartiersmanagement. Im Herbst
wird das ganze Areal im Mittelpunkt am "Tag des Offenen Denkmals" stehen.
Marina Naujoks
April 2005 Stadtteilzeitung
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