Mitglieder der BVV
Wer sind die Personen, die auf Bezirksebene meine Interessen vertreten? Wer gestaltet die
Politik in meinem direkten Umfeld?
Um ein wenig Licht in die nicht immer sofort verständlichen Strukturen der
Kommunalpolitik zu bringen, stellen wir Ihnen die Mitglieder der
Bezirksverordnetenversammlung vor. Diesmal: Badr Mohammed (SPD)
Sichtet man das weite Betätigungsfeld von Badr Mohammed, liegt eines sofort auf der Hand:
Der Mann hat beeindruckend große Energieressourcen. Er ist Mitglied im
Integrationsausschuss, im Ausschuss für Gesundheit und für Eingaben und Beschwerden. In
den beiden erstgenannten fungiert er auch als Sprecher. Innerhalb der SPD ist er
Kreisvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Integrationspolitik und außerdem Leiter der
arabischen Sozialdemokraten der Berliner SPD. Beruflich arbeitet Badr Mohammed als
Projektkoordinator im Integrationszentrum Tiergarten Süd in der Pohlstraße 74. Hier
finden Anwohnerinnen und Anwohner u.a. Unterstützung in Konfliktsituationen und Hilfe im
Umgang mit Behörden. So umfangreich sein Arbeitsgebiet auch sein mag, man kann es ohne
Probleme unter einem Begriff subsumieren: Integration.
Ein kurzer Blick in seine Vita macht das Engagement verständlich. Badr Mohammed wurde
1966 in Beirut geboren. Als Flüchtling kurdischer Abstammung kam er 1976 mit seiner
Familie aus dem Libanon nach Berlin. Fünfzehn Jahre hatte seine Familie den Status
geduldet bis sie die Aufenthaltsberechtigung bekam - eine lange Zeit, die sofort die
ausländerrechtliche Problematik verdeutlicht.
Das Besondere an seinem Umgang mit dem Thema Integration ist, dass er den (meist
deutschen) politisch Verantwortlichen in diesem Bereich eine neue - für einige gewiss
unbequeme - Sichtweise eröffnet. Für ihn gibt es kein Ausländerproblem, sondern ein
Sozialproblem. "Man kann von in der 4. Generation hier lebenden Menschen nicht mehr
von Ausländern sprechen. Es sind deutsche Staatsbürger. Dieses Problem betrifft alle
Bürgerinnen und Bürger des Landes."
Badr Mohammed fordert ein Bündnis für staatliche Integrationspolitik auf kommunaler
Ebene. Das bedeutet, dass alle politischen Akteure sich an einen Tisch setzen sollen, um
über konkrete staatliche Konzepte der Integration zu diskutieren. Als Beispiel nennt er
die Integration von Kindern in Schulen, die die deutsche Sprache nicht ausreichend
beherrschen. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, muss seiner Meinung nach eine
gezielte Zusammenarbeit zwischen den Bezirksämtern, Betroffenen, Vereinen usw.
stattfinden - alleiniger Daz-Unterricht (Deutsch als Zweitsprache), wie jetzt an den
Schulen praktiziert, reicht nicht aus. Unabhängig von dem jeweiligen Problem muss die
erste Frage immer lauten: Mit wem muss ich zusammenarbeiten?
Die Integrationspolitik ist also keine Privatangelegenheit, sondern eine Staatsaufgabe.
Badr Mohammed ist kein Freund von multikulti - ein Begriff, der gerne für die Vielfalt
der Menschen benutzt wird. Aus seiner Sicht geht es um essentielle Grundrechte für die
Menschen wie Bildung oder den rechtlichen Status einer Person. Bis jetzt hat sich der
Staat dieser Aufgabe noch nicht gestellt, denn unter dem Begriff Integration wird meist
Assimilation verstanden, was eine lückenlose Anpassung der Betroffenen bedeutet. Auf
diese Art und Weise entwickeln sich Parallelgesellschaften. Wie sonst ist es zum Beispiel
zu erklären, dass es die Gelben Seiten extra für Türken und Araber gibt? In diesen
Parallelgesellschaften "bleibt man unter sich" - was fatale Folgen hat. Die
Kinder lernen nicht richtig deutsch, die Kindergärten können diese Defizite nicht
ausgleichen, es gibt Probleme in der Schule. Ein schlechter oder gar kein Schulabschluss
ist oft die Folge, der Weg in die Arbeitslosigkeit ist also von Anfang an geebnet.
Zur Unterbrechung dieser Spirale hat Badr Mohammed ein Programm in drei Schritten
erarbeitet: Zunächst müssen fachkundige Kultur- und Integrationsvermittler in allen
Bereichen (Gesundheit, Jugend
) eingesetzt werden. Deren Aufgabe ist es, "das
Eis zu brechen", d.h. Kontakt zu den Familien aufzunehmen. Nach der Analyse des
Problems muss eine konkrete Lösung her.
Dabei kann es sich z.B. um die Vermittlung eines Streetworkers handeln, wenn es Probleme
mit dem gewaltbereiten Nachwuchs gibt. Als nächstes sollen Beschäftigungsprojekte
entwickelt werden, in denen sich die betroffenen Familien engagieren, sich z.B. um ihren
Kiez kümmern.
Für seine Pläne bekommt er von den anderen BVV-Mitgliedern überfraktionär einen guten
Rückhalt. "Natürlich halten auch einige an der alten Ausländerpolitik fest, aber
die werden mich auch noch verstehen", sagt er ein wenig grinsend und hastet mit dem
Handy am Ohr zum nächsten Termin.
Anett Baron
ehrenamtliche Redakteurin
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